LeserInnenbriefe
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Geräte ohne Gefühl

betr.: „Roboter und Chirurg“, taz vom 24. 7. 15

Mit Erstaunen habe ich euren Artikel über Roboter in der Medizin gelesen. Euer Autor scheint medizinisch wenig beschlagen zu sein und ist der Marketingstrategie einer Privatklinik voll auf den Leim gegangen.

Roboter, oder besser Telemanipulatoren, werden heute kaum noch in der Medizin eingesetzt, vielleicht noch in der Prostatachirurgie oder bei manchen Magenoperationen. In der Herzchirurgie wird zum Beispiel der so hoch gelobte Da Vinci praktisch nicht mehr verwendet. Verständlich, wenn man einmal gesehen hat, wie ein solcher „Roboter“ einen Faden knotet. Diese Geräte haben heute praktisch kein „Gefühl“ in ihren Manipulatoren, sie merken also nicht, ob das Gewebe, in das sie gerade schneiden, hart oder weich ist. Die Einschnitte in den Patienten sind zwar klein, doch sind mehrere Zugänge notwendig, so dass die Gesamtwunde auch nicht geringer als bei einer herkömmlichen Operation ist. Dafür ist die gesamte Operations- und Anästhesiezeit weitaus länger als bei traditionellen Operationen.

Und schließlich: Keine wissenschaftliche Arbeit hat bis heute einen wesentlichen Vorteil dieser Operationsmethode nachweisen können. Für den Operateur ist es, als würde er mit Stäbchen Messer und Gabel bedienen, um sein Essen einzunehmen. Ein Künstler mag es können, doch was soll’s.

Hauptsächlich sind diese Geräte heute Marketinginstrumente der Verwaltungen: faszinierende Technik = Sicherheit = bessere Medizin. Das lässt sich gut verkaufen.

WULF DIETRICH, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, München

Da braucht es keine Panik

betr.: „Verantwortliche gesucht“, taz vom 24. 7. 15

Die komplexen Entscheidungsabläufe zwischen Verwaltung, Behörden, Polizei und Veranstalter lassen die persönliche Schuldfrage bislang ungeklärt. Daher sollten sich Medien endlich zurückhalten bis zum Ende der Ermittlungen und des Prozesses, den jungen Besuchern der Loveparade mit der Verwendung des undefinierten Wortes „Massenpanik“ immer wieder vereinfachend eine zynische Mitschuld zuzuschreiben!

Wenn ein Mensch einfach stolpert und stürzt, und langsam die nachrückende Gruppe von hinten nachkommt, kein Platz mehr zwischen Tunnelwänden und Zäunen ist, gibt es keine Luft und keinen Raum auszuweichen, da braucht es keine Panik. Die Filme sind alle im Internet zu sehen: Die Jugendlichen waren damals auffällig besonnen und ruhig! Es wird Zeit, dass sie jetzt ihre Stimmen erheben und den Prozessbeginn fordern, ehe Dinge verjähren und sich Zeugen nicht mehr genau erinnern. Jeder Tag des Wartens erhöht das Leiden und vergrößert das Trauma aller Betroffenen.

Haben wir keine sozialpolitische kraftvolle Landesmutter mehr in Nordrhein-Westfalen?

HERAND MÜLLER-SCHOLTES, Bonn

Kühe sind keine Elefanten

betr.: „Alpine Stille“, taz vom 25. 7. 15

Wer schon mal entlaufene Rinder zusammengetrieben hat, kann sich das nicht so richtig mit einem GPS-Tracker vorstellen. Man rennt bergauf und bergab, in Schweiß gebadet, bei Brillenträgern die Brille total verschmiert, alle Sinne total angespannt. Man muss Entscheidungen in einem Bruchteil von Sekunden treffen. Das geht manchmal durch Brombeeren und Büsche, wodurch einem nachher schon mal die Kleider in Fetzen vom Leib hängen können.

Gute Ortskenntnisse sind gefragt und das Wissen um die Psychologie der Kühe, welche wehrhafte Fluchttiere sind. Wenn eine viel befahrene Straße, eine Bahnlinie oder ein Gemüsefeld in der Nähe sind, bleibt keine Zeit, innezuhalten, um an irgendwelchem Elektrokram herumzufummeln. Kuhglocken funktionieren auch im Gewitter-, Sonnen- oder Schneesturm, oder wenn bei einem Sturz das GPS verloren geht oder bei der Kuh die Batterie am Sender leer ist. Kühe sind keine Elefanten.

Wenn Kühe im Frühjahr vor dem Austrieb ihre Glocken umgehängt bekommen, haben sie so ein Leuchten in den Augen und eine nervöse Vorfreude befällt sie. Das ist wohl die pawlowsche Konditionierung, weil die Glocken ihnen signalisieren, dass es jetzt wieder auf die Weide geht. Wenn ihnen die Glocken total lästig wären, würden sie sich so nicht verhalten.

Ich rate jedem, der zu diesem Thema was zu sagen hat, zu einem Sommerpraktikum auf einer Alm oder bei einem Weidebauern. Das bringt Realität in die Diskussion. Man nennt das auch Feld- (oder Wiesen-)forschung. CHRISTOPH KROLZIG, Öhningen

Wie lang ist etwas neu?

betr.: „Nutella auf der Schrippe“, taz vom 23. 7. 15

Liebe Josephine Schulz, wie lange ist die neue Journalistin neu: zwei Monate, fünf Monate oder zwei Jahre? Wie lange sind die Länder der ehemaligen DDR noch neu? Neu bedeutet doch immer: Die können noch nicht alles, sind nicht gleichwertig. Außerdem haben diese Länder schöne Namen. Ich wünsche mir von den Medien, auch bei der Wortwahl achtsam zu sein.

ULRIKE KRAKAU-BRANDL, München