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Archiv-Artikel

Heiße Nächte, gute Worte

PARIS afp/taz ■ Die seit elf Tagen andauernden Krawalle in Frankreich haben auch auf die Pariser Innenstadt übergegriffen. In der Nacht zum Sonntag wurden in Innenstadtbezirken nach Polizeiangaben 32 Autos in Brand gesetzt, landesweit waren es 1.295 und damit nochmals mehr als in den vorangegangenen Nächten. Die Polizei nahm am Wochenende rund 500 Verdächtige fest. Nach Angaben des Justizministeriums wurden seit Beginn der Ausschreitungen 20 Beteiligte zu Haftstrafen ohne Bewährung von einer Dauer bis zu einem Jahr verurteilt.

Auch mit einer Mobilisierung von mehreren tausend Polizisten konnte die Regierung die Ausbreitung der Randale nicht verhindern. Autos wurden unter anderem in Toulouse, Bordeaux, Montpellier, Rennes und Nantes, Lille, Mülhausen und Straßburg in Brand gesetzt. Im Département Essonne bei Paris wurden ein Kindergarten und eine Mc-Donald's-Filiale zu großen Teilen zerstört. In Nogent-sur-Oise nördlich von Paris konnten zwei Senioren nur noch mit einer Feuerwehrleiter aus ihrem Haus gerettet werden, nachdem die Flammen von ihrem in Brand gesetzten Wagen auf das Gebäude übergegriffen hatten. Bei einem Brand in einem Wohnhaus in Athis-Mons im Süden der Hauptstadt erlitten zwei Menschen Rauchvergiftungen.

Der politische Streit über die Ausschreitungen gewann an Schärfe. Sozialistenchef François Hollande warf dem konservativen Innenminister Sarkozy vor, er trage durch seine „verbalen Provokationen“ einen „großen Teil Mitverantwortung“. Sarkozy hatte die Randalierer als „Gesindel“ bezeichnet und seinen harten Kurs wiederholt bekräftigt. Der Vorsitzende des französischen Muslimrates, Dalil Boubakeur, forderte nach einem Treffen mit Regierungschef Villepin hingegen „Worte des Friedens“. Präsident Jacques Chirac hüllt sich in Schweigen.

Auslöser der Unruhen war der Tod zweier Jugendlicher in der Pariser Vorstadt Clichy-sous-Bois. Sie hatten sich vor der Polizei in einem Transformatorenhäuschen versteckt und tödliche Stromschläge erlitten. Ihre Eltern riefen am Samstag zur Ruhe auf: „Wir appellieren an den Bürgersinn jedes Einzelnen. Frankreich verdient dies nicht.“