Sonnenschein kennt keine Grenzen

Europas modernste Solarzellenfabrik nimmt nahe Aachen grenzüberschreitenden Betrieb auf

„Solarzellen sind ein fantastisches Produkt und für die Zukunft unbedingt nötig“

AUS AACHEN HENK RAIJER

Know-how-Klau sieht der Chef nicht gern. Und so passen seine Mitarbeiter ganz genau auf, dass die Gäste weder die auf den Bildschirmen flimmernden Codes noch die Töpfe mit der gräulichen Paste ins Visier nehmen, auf die eine Produktionsassistentin in weißem Kittel und blauen Schuhbezügen immer wieder zugreift. „Unsere Zellen haben weltweit den höchsten Wirkungsgrad“, erklärt Gosse Boxhoorn, Geschäftsführer der deutsch-niederländischen Solarzellenfabrik Solland Solar, die an diesem trüben Novembertag die Produktion aufgenommen hat. „Wir betreiben hier eine der modernsten Anlagen in Europa, da wollen wir der Welt ja nicht gleich sämtliche Details unserer Fertigung präsentieren“, erklärt der 53-Jährige, der mit seinem akkurat gescheitelten Haar und in hellblauem Kittel eher wie ein Chefarzt auf Visite daher kommt.

Produziert werden in der 1.400 Quadratmeter großen, nagelneuen „Klinik“ auf der grünen Wiese zwischen Aachen und Heerlen hocheffiziente mono- und multikristalline Solarzellen, die Solland-Kunden anschließend zu Solarstrommodulen verarbeiten. Mit Kleinkram gibt sich die Solland Solar Energy Holding dabei gar nicht erst ab – das Management setzt auf Mehrjahresverträge mit ausgehandelten Fixpreisen. Der Verkaufspreis wird pro Watt-Leistung der Zelle berechnet. Nach Firmenangaben ist die Produktion der nächsten fünf Jahre bereits verkauft. „Wir starten jetzt mit einer jährlichen Produktionskapazität von 20 Megawatt“, sagt Boxhoorn. Das entspreche einer Gesamtmenge von fünf Millionen Solarzellen mit einer Oberfläche von 200.000 Quadratmetern. Bis zu 4.500 Haushalte könnten seine blauen Quadrate, einmal an der Sonne, mit Strom versorgen. „Unser Ziel ist es, in drei Jahren eine Kapazität von 60 Megawatt zu erreichen und bis 2010 in drei weiteren Hallen gut 400 Megawatt zu produzieren.“

Der Firmengründer hat allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Das Geschäft mit Solarzellen boomt wie kein anderes, jährlich wächst der Markt weltweit um über 30 Prozent, allein in Deutschland lag der Umsatz im Jahre 2004 bei 1,5 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Zwar setze die niederländische Regierung in den nächsten Jahren verstärkt auf Windenergie und Biomasse, so Boxhoorn. „Aber wir sind schon jetzt unabhängig vom holländischen Markt.“ Anlagenhersteller aus Spanien, Frankreich und Griechenland zeigten großes Interesse, und in Deutschland werde auch unter einer schwarz-roten Koalition die Förderung der Solarwirtschaft nicht in Frage stehen, zu vielversprechend seien die Wachstumsprognosen (siehe Beitrag unten). „Solarzellen sind ein fantastisches Produkt“, schwärmt Boxhoorn, der mehr als 20 Jahre in leitender Stellung bei Shell gearbeitet hat und dort zuletzt Manager von Shell Solar Energy war. „Und ihr Einsatz ist für die Energieversorgung der Zukunft unbedingt nötig.“

Weltweit wachsender Energiebedarf, alle Nase lang Umweltkatastrophen und steigende Preise für fossile Brennstoffe – für die Photovoltaik und damit für eine unabhängige Solarzellenproduktion brechen, so scheint es, goldene Zeiten an. Das haben nicht nur die Geldgeber begriffen, die den Bau der Fabrik ermöglicht haben, die zu 64 Prozent auf holländischem und zu 36 Prozent auf deutschem Gebiet liegt. Mit 20 Millionen Euro Gesamtausgaben war Solland Solar im Jahre 2004 die größte Einzelinvestition in eine niederländische Firmengründung. 3,5 Millionen Euro steuerten das Land NRW, die niederländische Staatskasse, die Provinz Limburg sowie die Städte Aachen und Heerlen dazu bei. „Nicht viel, aber genug für den Anfang“, meint Boxhoorn, der bereits eine zweite Fertigungslinie plant und seinen staatlichen Förderern bis 2010 über 400 Arbeitsplätze in Aussicht stellt.

38 Mitarbeiter zählt die erste grenzüberschreitende Fabrik der Welt, die im Wissenschafts- und Wirtschaftspark Avantis zwischen Aachen und Heerlen angesiedelt ist, zu Produktionsbeginn. Darunter sind 10 Deutsche. Wäre der Osten Deutschlands, etwa eine Region in Sachsen, wegen des Subventionssegens für eine Neugründung nicht weitaus lukrativer gewesen? Da erklärt der Solland-Chef lapidar, entscheidend bei der Standortwahl sei für ihn gewesen, dass er nur sieben Kilometer bis nach Hause benötige. Und erwähnt dann noch die „exzellente Lage“ zwischen Rotterdam, Ruhrgebiet und Südeuropa und die Nähe zu den Topstandorten für Forschung und Entwicklung wie Aachen, Lüttich und Maastricht. Mit diesen Wirtschaftsfaktoren wirbt der Standort Avantis mit aller Macht. Doch die Probleme sind evident. Auf dem 100 Hektar großen Avantis-Areal, das zu 60 Prozent auf deutscher und zu 40 Prozent auf niederländischer Seite der Staatsgrenze liegt, dominiert nach wie vor sattes Grün. Und wo derzeit nur wenige Firmengebäude im Halbrund aufgereiht stehen, wird man schnell zur „Brutstätte für Innovationen“, wie die Avantis-Betreiber ihre Pioniere so gerne bezeichnen.

Tatsächlich will Solland Solar eigenen Angaben zu Folge von Anfang an seine Kapazität nicht ausschließlich für die Produktion in Anspruch nehmen, sondern sukzessive eine Forschungslinie aufbauen. „Einer unserer Schwerpunkte ist die Entwicklung neuer Technologien sowie effizienterer Produkte und Fertigungsmethoden“, erklärt Geschäftsführer Boxhoorn, der an diesem Tag immer wieder gerne auf dem blauen Strich balanciert, der quer durch alle Räume den Grenzverlauf markiert. Aufgrund des derzeitigen Mangels an Silizium, der Chemikalie, die für die Produktion von Solarzellen benötigt wird, geht er davon aus, dass technologische Effizienz der Firma langfristig zum Wettbewerbsvorteil gereicht.

Ein Anfang wurde gemacht: Solland Solar hat vom Energy Research Centre of the Netherlands (ECN) eine Lizenz zur Herstellung hocheffizienter Rückseitenkontaktzellen erworben. „Im Vergleich zu herkömmlichen Solarzellen ist der Platzbedarf der elektronischen Kontakte auf der Vorderseite solcher Zellen weitaus geringer und damit effizienter“, weiß Danny Sterk. Der studierte Chemietechniker, der nur wenige Kilometer entfernt im niederländischen Landgraaf zu Hause ist, steht am Ende der Fertigungslinie und prüft die kleinen Quadrate, die in der staubsicheren Vitrine vom Band „rollen“. Dann und wann wirft er einen Blick auf seinen Bildschirm, drückt einen roten Knopf oder räumt, die Hände in blauen Plastikhandschuhen verpackt, einen kleinen Container mit Solarzellen aufs Regal.

Laden, aufrauhen, siebdrucken, brennen und trocknen sind nur einige der Schritte, die die 30 Produktionsmitarbeiter im Dreischichtensystem entlang der gläsernen Fertigungslinie bis hin zur manuellen Endkontrolle des Produkts überwachen. „Zwischen den einzelnen Vorgängen sind immer wieder Puffer eingebaut, so dass wir, wenn es irgendwo staut, reagieren können“, erklärt Danny Sterk. „Schließlich sind das keine Ziegelsteine, da kann schnell was kaputt gehen.“

Sterk mag seinen neuen Job – weil er voll hinter dem Produkt stehe, wie er sagt. Bis vor wenigen Tagen hat der 28-Jährige noch bei Philips in Heerlen gearbeitet. „Als ich von Solland hörte, habe ich mich sofort beworben“, erzählt er. Das hätten die meisten der Kollegen so gemacht, wie 700 weitere Interessierte. Am Ende habe Solland keine einzige Stellenanzeige schalten müssen. Sterk begutachtet mit hoch gezogenen Augenbrauen die Oberfläche eines der blauen Plättchen und sagt: „Diese Technologie hat eine Menge Potenzial.“