Diyalog im Roten Rathaus

Mit der Eröffnungsfeier hat es das deutsch-türkische Theaterfest Diyalog nach zehn Jahren bis ins Rote Rathaus geschafft. Das Publikum schätzt die Mischung aus professionellem und Amateurtheater

VON ALKE WIERTH

Er ist ein wenig nervöser als sonst: Seit zehn Jahren organisiert Mürtüz Yolcu bereits das deutsch-türkische Theaterfest Diyalog. Er hat in dieser Zeit immer wieder beeindruckende Programme mit aus- und inländischen Theatergruppen, Musik, Tanz oder auch Kabarett zusammengestellt.

Die deutsch-türkische Orientierung des Festivals ist dabei eher zur Nebensache geworden: Gruppen aus Bukarest, Köpenick oder Stuttgart sind ebenso dabei wie türkische Theater. Berliner Produktionen gibt es in Deutsch-Persisch-Arabisch-Englisch, eine deutsch-spanische kommt diesmal vom Teatro Delusio. Dem Spielort Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg ist das Festival aber immer treu geblieben. Das gehöre für ihn zum Konzept, sagt Mürtüz Yolcu.

Das Theaterfest Diyalog beruht auf einer Mischung aus professionellem und Amateurtheater. Deshalb sind auch Produktionen mit Kreuzberger Jugendlichen aus dem gegenüberliegenden Kulturzentrum Naunynritze fester Bestandteil des Festivalprogramms.

Dass nun zum zehnten Jubiläum das Festival mit einem Eröffnungsempfang im Roten Rathaus eingeläutet werden soll, das freut und irritiert den deutschtürkischen Theatermann gleichermaßen. Seit Jahren kämpft er um mehr Anerkennung. Mit gerade mal 20.000 Euro unterstützt der Senat das Theaterfest Diyalog. Mehr noch als das ärgert Yolcu, dass das kulturelle Schaffen von Zuwanderern aus dem Blickwinkel der Politik immer noch eher als Integrationsmaßnahme wahrgenommen wird. Dabei geht es doch um einen gleichberechtigten kulturellen Ausdruck: „Da sitzen dann Ausländerbeauftragte und entscheiden über unsere Förderanträge. Nichts gegen die, aber Theaterexperten sind das in der Regel nicht.“

Dabei haben sich die Macher des Theaterfestivals Diyalog, das aus einer gleichnamigen Theatergruppe entstand, von Anfang an genau entgegen der klassischen „Gastarbeiterkultur“ positioniert: Sie wollten eben nicht bloß mitgebrachte Kultur pflegen und damit ein ständig älter werdendes Publikum erreichen – so wie es das türkische Theater Tiyatrom in der Alten Jakobstraße in Mitte mit seiner starken Orientierung auf türkische Kultur und Sprache tue, meint Mürtüz Yolcu.

In der per se internationalen Sphäre des Theaters entwickeln Zuwanderer, egal woher, in der Auseinandersetzung mit ihrer Lage ganz neue Ausdrucksformen, eine eigene Kultur statt der mitgebrachten. Das soll Diyalog auch widerspiegeln. Und die längst multikulturelle Kulturszene Berlins honoriert das. Oft herrscht ein schönes Gedrängel im alten Ballhaus. Sehr beliebt sind die Kinderstücke. Und die Abschlusspartys des Festivals sind mittlerweile geradezu legendär.

Anders als dort wird Mürtüz Yolcu heute Abend im Roten Rathaus sehr wahrscheinlich Krawatte tragen. Er freut sich über die Anerkennung, die dem Diyalog-Theaterfest zum Zehnjährigen entgegengebracht wird. Und der Blick auf die prominente Gästeliste lässt ihn etwas nervöser sein als bei früheren Eröffnungen. Neben dem türkischen Botschafter Mehmet Ali Irtemcelik und Monika Helbig, der Europabeauftragten des Bundes, hat sich auch Marie Luise Beck, Bundesausländerbeauftragte, angesagt.