: Facebook-clean ohne Rückfall
■ Die Ausgabe: Im sonntaz-Spezial zum Jahreswechsel hatten wir uns mit Online-Mächten befasst. Mit Amazon etwa, taz.de/amazon, und Facebook, taz.de/face.
■ Die Frage: Und wir wollten wissen, was unsere Leser davon halten, taz.de/frage.
Facebook habe ich fünf Jahre lang genutzt. Ich habe über eine dort geschaltete Anzeige einer Headhunting-Firma mein erstes Praktikum nach Abschluss meiner Doktorarbeit bekommen; ich fand auch alle meine Studienkollegen im Ausland wieder und selbst meine alten französischen Brieffreundinnen und meine Verwandten aus der Türkei.
Langsam aber schlich sich die Gewohnheit ein, jeden Tag als Erstes auf Facebook zu gehen. Ich scannte nach und nach etliche Alben mit Kindheitsfotos ein und machte es mir auch zur Gewohnheit, Urlaube und Partys zu dokumentieren.
Erst als ich über politische Diskussionen in ein etwas merkwürdiges Fahrwasser geriet, machte sich die erste Facebook-Krise breit. Offensichtlich hatte ich es mit Nazis oder zumindest mit deutschen Nationalisten zu tun, die begannen, mir in meinen politischen Diskussionen die Worte im Mund zu verdrehen. Ich saß manchmal bis tief in die Nacht am Computer und diskutierte aus Trotz mit ihnen weiter – so als müsse ich unbedingt die Welt verbessern. Denn es konnte ja jeder, der wollte, quasi live unsere Diskussionen mitverfolgen. Dann hatte ich es plötzlich mit einem zu tun, der seinen Vater erschossen hatte, zumindest deutete er das im Chat an. Er schrieb zwar nicht „Ich habe meinen Vater ermordet“, sondern dass es ein Jagdunfall gewesen sei, aber danach sei es ihm besser gegangen.
Nazis und Mörder, das wurde mir allmählich zu viel. Ich unterhielt mich zunehmend kritisch mit meiner Freundin über Facebook, und fast gemeinsam beschlossen wir, uns aus dieser Abhängigkeit zu befreien.
Seit einem Monat habe ich meinen Account deaktiviert und mich seitdem nicht mehr eingeloggt. Beim letzten Versuch war ich noch mal rückfällig geworden und hatte mich aus Neugier irgendwann doch wieder eingeloggt.
Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, Facebook-clean zu sein. Es tut gut, seine Zeit anders zu verbringen und nicht diese ständige Neugier zu teilen.
■ Devrim Karahasan, 41, Historikerin, Soziologin, Buchautorin, macht gern Yoga, strickt und zeichnet