: Selbst auf der Toilette
■ Die Ausgabe: Im sonntaz-Spezial zum Jahreswechsel hatten wir uns mit Online-Mächten befasst. Mit Amazon etwa, taz.de/amazon, und Facebook, taz.de/face.
■ Die Frage: Und wir wollten wissen, was unsere Leser davon halten, taz.de/frage.
Schon zu Schulzeiten habe ich aufgehört Fleisch zu essen. Ich bin wohl eher ein kritischer Bürger. Aus Geldmangel habe ich nie mit Microsoft angefangen und nutze jetzt die Linux-Variante Ubuntu.
Facebook und Co. verweigere ich bis heute – und lebe immer noch. Vielleicht werde ich schon alt, aber die Informationsflut geht mir richtig auf die Nerven. Ich möchte nicht ständig Infos aufgedrängt bekommen. Das Löschen von Spam und Werbung klaut meine Zeit und stinkt mir.
Ja, ich besitze sogar ein Handy. Meine Nichte hatte es vor vielen Jahren ausgemustert. Dazu fällt mir oft die Geschichte eines Kollegen ein. Er saß beim Arzt auf Toilette und ging ans Telefon … Noch Fragen? Es war ihm selbst hinterher peinlich. Ich entscheide selbst, ob ich erreichbar sein muss. So ist mein Handy standardmäßig aus. Bin ich so überhaupt tauglich für diese Mediengesellschaft?
Mit Amazon habe ich mein Erlebnis im letzten Sommer gemacht. Unser Sohn sah im Schaufenster ein tolles ferngesteuertes Auto. Natürlich wollte er genau das zum Geburtstag. Also erst mal im Internet informieren. Dort gab es das Auto 15 Euro günstiger. Da der Termin drängte, musste ich schnell handeln und telefonieren. Klappt das noch? Kommt das Paket rechtzeitig? An die richtige (Urlaubs-)Adresse?
Der ganze Aufwand hat mich so viel Zeit, Energie und Aufregung gekostet, dass ich am Ende zu dem Entschluss kam, meine Frau hätte das Auto direkt im Laden kaufen sollen. Damit hätten wir zudem den Einzelhandel vor Ort gestärkt. Mich ärgert es jetzt, und in Zukunft achte ich darauf.
Ja, ich bin trotzdem gefangen im Netz. Viel zu oft schaue ich mal eben so in meine Mails. Ist da etwas Neues gekommen? Die Neugier hat positive Folgen und negative Auswüchse.
Es ist sehr schwer, sich bewusst loszureißen. Von daher freue ich mich auf die wenigen Wochen Camping-Urlaub, wo wir wirklich ohne Strom leben – und auch noch leben können. Der im Jahr 2000 verstorbene Bischof Dyba von Fulda sagte einmal sinngemäß: Wenn der Strom ausfällt, erleben wir, wie das wirkliche Leben ist.
■ Michael Artman, 47, hat zwei Kinder, arbeitet als technischer Redakteur und ist Mitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club