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Archiv-Artikel

„Es ist eine Eliten-Migration“

AUSWANDERUNG Der Temmen-Verlag stellt ein Buch vor, herausgegeben vom Landesfilmarchivar

Von eib
Diethelm KNAUF, 57,

■ ist Historiker und Medienpädagoge im Landesfilmarchiv.

taz: Herr Knauf, Bücher zur Auswanderung gibt es reichlich – was ist neu an Ihrem?

Diethelm Knauf: Zum einen konnten wir das große Bildarchiv des New Yorker Einwanderungsmuseums auf Ellis Island nutzen. Zum anderen geht es nicht nur um das, was wir als klassische Wanderungsphase bezeichnen, also die vor dem Ersten Weltkrieg, sondern beziehen auch die Auswanderungsbewegungen danach mit ein – bis in die Gegenwart.

Gibt es denn heute noch Auswanderung aus Deutschland in großem Stil?

Sie ist fast so stark wie zu den Zeiten der großen Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert. 2007 wanderten aus Deutschland 150.000 Menschen aus.

Wie damals in die neue Welt?

Nein, der überwiegende Teil geht heute ins europäische Ausland, England, Norwegen, Schweiz. Erst danach kommen die USA und Australien und Neuseeland.

Sind die Motive dieselben wie damals?

Ja, es geht darum, ein besseres Leben zu finden. Der gravierende Unterschied ist aber, dass die Menschen heute nicht mehr aus materieller Not geradezu außer Landes getrieben werden. Vielmehr ist es eine Elitenwanderung der Zahnärzte und IT-Fachleute.

Gibt es weitere Unterschiede?

Die Wanderungsbewegung ist nicht mehr so definitiv wie im 19. Jahrhundert. Man spricht deshalb nicht mehr von „brain drain“, sondern „brain circulation“. Der Informatiker wandert vielleicht zunächst in die USA aus, zieht aber von dort weiter in ein Entwicklungs- oder Schwellenland wie China oder Indien.Interview: eib

Diethelm Knauf, Barry Moreno (Hrsg.): „Aufbruch in die Fremde – Migration gestern und heute“, Edition Temmen, € 29,90