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Archiv-Artikel

Lothar Bisky hat endgültig verloren

Mit 310 zu 249 Stimmen verweigert der Bundestag dem Kandidaten der Linken das Amt des Bundestagsvizepräsidenten. Fraktionschef Gregor Gysi: Der für die Linksfraktion vorgesehene Posten im Präsidium bleibt bis auf weiteres unbesetzt

VON ULRIKE WINKELMANN

Sekunden bevor Bundestagspräsident Norbert Lammert das Ergebnis verlas, erfuhr es die Fraktion der Linkspartei. Zwei Fraktionskollegen legten Lothar Bisky kurz den Arm um die Schultern und drückten ihn, bevor sie sich auf ihre Plätze setzten.

Und ganz kurz wischte sich Bisky das Auge. Er hatte verloren. Lammert trug vor: 249 Abgeordnete waren dafür, dass Bisky Bundestagsvizepräsident wird, 310 dagegen. 36 Abgeordnete enthielten sich. Einzelne Pfui-Rufe aus der Mitte des Saals waren zu hören. Der Kandidat der Linskpartei.PDS für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten war gestern Nachmittag auch im vierten Wahlgang und damit endgültig durchgefallen. Lammert leitete zum Thema Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr über.

Am frühen Abend stellte sich Bisky vor die Presse und erklärte, er akzeptiere das Votum – „aber ich bitte auch andere zu akzeptieren, dass die Linkspartei sich nicht vorschreiben lassen kann, wen sie als Kandidaten aufstellt“. Er bedaure, dass sein Angebot, den anderen Fraktionen etwa seine DDR-Biografie zu erklären, „nicht angenommen wurde“. Offenbar kämen für viele „die Antworten vor den Fragen“.

Fraktionschef Gregor Gysi geißelte das Votum des Bundestags sehr vollmundig. Die „Ausgrenzungsentscheidung“ zeige Millionen von Ostdeutschen: Eine Biografie, die „kritisch, aber auch loyal“ zur DDR gewesen sei, sei nicht der Repräsentation „würdig“. Es werde von der Linksfraktion „keinen weiteren Vorschlag“ geben: „Das Präsidium bleibt unbefristet unvollständig.“

Viele Vertreter anderer Fraktionen hatten bis gestern bereits der Linkspartei.PDS nahe gelegt, einen anderen Kandidaten zu präsentieren. Sie wollten nach der Bundestagssitzung am 18. Oktober, als bis auf Bisky das Präsidium mit den rituell sehr großen Mehrheiten gewählt wurde, nach dem Motto „Dreimal durchgefallen ist durchgefallen“ Bisky keinen weiteren Anlauf mehr geben. Die plötzlich auftauchenden Argumente gegen ihn lauteten: Er sei Parteichef und damit nicht ganz so überparteilich, wie das von einem Bundestagsvize zu erwarten sei. Gegen ihn liege ein Stasi-Verdacht vor.

Letzteren zu unterfüttern, unternahm gestern pünktlich zur Wahl die FAZ. Zum Beleg, Bisky sei entgegen seinem Ruf zu DDR-Zeiten nicht der „gute Onkel“ gewesen, zitierte das Blatt zwar lobende Aktenvermerke über den Kulturwissenschaftler und Exrektor der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg („einsatzbereiter Genosse“). Sie wies jedoch nicht nach, wie Bisky persönlich jemandem geschadet hat. In Brandenburg, wo Bisky seit Oktober 2004 Vizepräsident des Landtags war, genießt er höchsten Respekt auch bei Union und SPD. Der neue SPD-Chef Matthias Platzeck schätzt ihn sehr.

Während sich die Zahl der Ja-Stimmen für Bisky seit dem dritten Wahlgang am 18. Oktober nicht verändert hat, ist die Zahl der Nein-Stimmen um 52 angeschwollen. Es wird unklar bleiben, aus welchem Lager die zusätzlichen Neins stammten – wohl vor allem von Union und FDP. Doch auch bei den Grünen, bestätigten diese gestern, sei der Unwille über einen vierten Wahlgang und damit gegen den Kandidaten leicht gewachsen.

Nur die SPD mit ihren 222 Abgeordneten hätte Bisky retten können. Sie hat darauf verzichtet. In der Fraktionssitzung unmittelbar zuvor hatte Noch-Fraktionschef Franz Müntefering zwar ausdrücklich für das Afghanistan-Mandat eine Probeabstimmung durchführen lassen, nicht aber für die Bisky-Wahl. Auch seine Empfehlung für Bisky sei etwas mau gewesen, erklärten einige Bisky-Wähler von der SPD später.

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