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Archiv-Artikel

Kinokunst als Kompromiss

„Das weiße Band“ ist mit seiner prächtigen Schwarzweißästhetik ein attraktiver Film, der die Markenzeichen von Hanekes Weltsicht konsequent beibehält

Als Michael Haneke vor einigen Wochen in der Berliner Akademie der Künste über seinen aktuellen Film, „Das weiße Band“, Auskunft gab, war aus den Reaktionen des Publikums schön zu ersehen, dass der österreichische Filmemacher inzwischen den Status eines unumstrittenen Stars im internationalen Kino erreicht hat. Die Deutungshoheit über seine Filme liegt in erster Linie bei ihm selbst. Das ist umso paradoxer, als er mit einer Ästhetik des Rätsels und der Konfrontation bekannt geworden ist. „Das weiße Band“ ist eine Parabel über die autoritäre spätfeudale Gesellschaft in Norddeutschland am Beginn des 20. Jahrhunderts. Wie das auf spätere historische Konstellationen hin zu begreifen ist, hält der Autor bewusst und oft mit sichtlicher Befriedigung in der Schwebe.

Der Sohn des Schauspielerpaars Fritz Haneke und Beatrix von Degenschild kam über das öffentlich-rechtliche Fernsehen erst allmählich zum Kino. In diesem Jahr gewann er mit der Goldenen Palme in Cannes und nun dem Europäischen Filmpreis für „Das weiße Band“ bedeutende Auszeichnungen. Und auch für die Oscars im Frühjahr gilt er als aussichtsreicher Kandidat. Die breite Zustimmung ist ein Indiz dafür, dass Haneke seit seinem ersten Kinofilm, „Der siebente Kontinent“ 1989 (der Geschichte der planvollen Selbsttötung einer oberösterreichischen Mittelklassefamilie), über Wegmarken wie „Die Klavierspielerin“ (2001) hinweg allmählich zu einer äußerlich bekömmlicheren Form gefunden hat. „Das weiße Band“ ist mit seiner prächtigen Schwarzweißästhetik ein sehr attraktiver Film, der allerdings all die Markenzeichen von Hanekes Weltsicht konsequent beibehält: gehemmte oder pervertierte Sexualität, Perspektivlosigkeit, Entfremdung.

Die Strenge seiner Filme unterstreicht er durch einen kunstpriesterlichen Habitus, hinter dem nur gelegentlich ein österreichischer Schalk hervorblitzt. Wenn man nach einem Motiv suchen würde, aus dem sich das Werk von Michael Haneke herleitet, so sollte man vielleicht nicht so sehr in den Konkretionen der Kulturkritik suchen, sondern bei der abstrakteren Musik, der er ursprünglich zugeneigt war. Das Kino ist für Michael Haneke eine Kunst des Kompromisses, die er nach all den Ehren nun noch kompromissloser wird ausüben können. BERT REBHANDL