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Archiv-Artikel

„Politik von der Religion trennen“

GRÜN Rahim Schmidt hat mit 40 Parteifreunden den Arbeitskreis „Säkulare Grüne“ gegründet – wozu?

Rahim Schmidt

■ 53, sitzt seit 2011 für die Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz. Der gebürtige Iraner ist Agrarwissenschaftler und Mediziner und sitzt im Sozialausschuss.

taz: Herr Schmidt, über 40 Prozent der Grünen-Mitglieder sind konfessionslos. Warum braucht die Partei jetzt einen säkularen Arbeitskreis?

Rahim Schmidt: Der Staat muss sich allen Weltanschauungen und Religionsgemeinschaften gegenüber neutral verhalten. Die Praxis sieht aber anders aus – unter anderem bei den Staatskirchenverträgen, der Kirchensteuer oder dem Arbeitsrecht. Wir wollen die Trennung von Staat und Religion vorantreiben.

Und bisher ist das mit den Grünen nicht zu machen?

Früher schien so etwas selbstverständlich. Doch inzwischen hat die Partei einen Sprecher für Kirchenpolitik und Arbeitskreise religiöser Gruppen. Diese werden dem starken säkularen Spektrum innerhalb der Grünen nicht gerecht. Also wollen wir uns einmischen.

Die Grünen haben – vielleicht stärker noch als andere Parteien – das halbe Jahr 2012 über religiöse Beschneidungen diskutiert. Haben Sie den Arbeitskreis deshalb gegründet?

Unter anderem. Ich würde es begrüßen, wenn die Religionsgemeinschaften zeitgemäße Symbole finden. Doch uns geht es um mehr: Die Politik sollte sich in einer globalisierten Gemeinschaft nicht über Religion definieren, sondern über universelle Werte. Es geht auch um Bildung: Statt den Religionsunterricht auszubauen, sollte er durch Ethik oder Philosophie ersetzt werden.

Und was soll dort gelehrt werden?

Kritisches Nachdenken darüber, was jedem im Leben besonders wichtig ist. Ethik setzt auf den Dialog der Schülerinnen und Schüler verschiedener Herkunft. Die Kinder brauchen durch Wertebildung einen erweiterten Horizont für ihre Umwelt und eventuelle spätere Bekenntnisse.

Jetzt klingen Sie selbst fast priesterlich. Christen würden Ihnen kaum widersprechen.

Das müssen sie auch nicht! Wir sind offen für alle, die individuelle Menschenrechte über religiöse Sonderrechte stellen.

In die Bundestagswahl gehen die Grünen mit einer dezidiert religiösen, kirchlich organisierten Spitzenkandidatin – Katrin Göring-Eckardt. Werden Sie ihre Plakate im Wahlkampf kleben?

Wir leben in einer Demokratie, und die Partei hat Göring-Eckardt gewählt. Ich denke nicht, dass sie nur die Wünsche einer religiösen Minderheit vertreten wird, sondern die Inhalte grüner Politik in den Mittelpunkt stellt.

Haben Sie keine Angst, die „religiöse Minderheit“ abzuschrecken? Protestanten sind für die Grünen eine wichtige Wählergruppe.

Nein. Lebendige Debatten sind Markenzeichen der grünen Politik.

Der Parteivorstand hat Sie noch nicht zurückgepfiffen?

Der Bundesverband hat uns grünes Licht für dieses Interview gegeben. Außerdem will man uns im Frühjahr zu einem Gespräch nach Berlin einladen. Ich gehe davon aus, dass wir am Bahnhof mit Sonnenblumen empfangen werden.

Auf Twitter hat Ihr Arbeitskreis zumindest schon einen prominenten Follower: Volker Beck, Geschäftsführer der Bundestagsfraktion.

Wenn er mit uns reden will – wir sind gesprächsbereit.

INTERVIEW: TOBIAS SCHULZE