HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER
: Schmelzendes Jammern

„Melt whine“ stand an der Tafel, als ich in sein Klassenzimmer trat. Und als Übersetzungsvorschlag darunter: „Glühwein“

Schon als ich in der fünften Klasse war, gab es eigentlich keinen Englischlehrer, der wirklich gerne von mir verbessert wurde. Als Lehrer musste man halt zweisprachige Gören in Kauf nehmen. Man stellte sich mit ihnen freundlich, indem man sie immer vorlesen ließ und ihren Akzent lobte.

Der Lehrer mit dem ich es heute zu tun hatte, war offensichtlich unvorbereitet auf die niederträchtige Attacke, die in Form einer Lehrerin vom Nachhilfeinstitut auf ihn einprasselte. „Melt whine“ stand an der Tafel, als ich nach Unterrichtsschluss in sein Klassenzimmer trat. Und als Übersetzungsvorschlag darunter: „Glühwein“. Ich wollte dem freundlichen Geschichts- und Englischlehrerkollegen unter die Arme greifen. Ich schrieb „mulled wine“ darüber und sagte: „Nur eine kleine Verbesserung.“

Mein Kollege wurde eisig. Er habe „melt whine“ nachgeschlagen. Das sei eine durchaus gängige Art und Weise im Englischen „Glühwein“ zu sagen. Danach gelang es mir nicht mehr, das Eis mit dem gleichaltrigen Kollegen zu brechen.

Bleibt mir nur noch die Vorstellung, dass in zehn Jahren die etwa 100 Schüler, bei denen seine ungewöhnliche Vokabelschöpfung haften geblieben sein wird, in England auf dem Jahrmarkt stehen und nach „melt whine“ also „dem Schmelzen des Jammerns“ fragen.