ladenschluss: Die Mär vom Kaufrausch
Mehr, mehr, mehr, so lautet das Mantra der Shoppen-rund-um-die-Uhr-Fraktion. Mehr Angebote für Fußballfans, mehr Konsum, mehr Umsatz für die Händler, kurzum: mehr glückliche Menschen in der Stadt. Aber wer genau soll da eigentlich die Geschäfte stürmen?
KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
Ein paar angetrunkene Brasilianer vielleicht, denen Vorrundenspiele zu popelig sind, aber der Rest der Stadt wird Fußball schauen, das ist der Sinn einer WM. Es bleibt das traurige Fazit: Die Sicht, dass Kommerz jedes noch so wilde Fest kleinkriegt, ist auch in Parteien links der Mitte nicht mehr mehrheitsfähig.
Natürlich ist es eine tolle Sache, um Mitternacht einen Liter Frischmilch besorgen zu können. Aber die wenigsten werden es tun, die übergroße Mehrheit kommt mit der aktuellen Regelung gut aus.
Wenn man den Einzelhandelsverband an seinen eigenen Prognosen misst, hat er die Mär vom abendlichen Kaufrausch längst selbst widerlegt. Nachdem der Gesetzgeber die Öffnungszeiten auf 20 Uhr verlängert hat, beklagen die Händler Jahr für Jahr Umsatzrückgänge. Die Leute geben nicht mehr Geld aus, sie geben es nur zu einer anderen Tageszeit aus: Am Samstag drängeln sich die Kunden, Dienstagmorgens fahren Rolltreppen leer. Nur zur Erinnerung: Karstadt hat seine Filialen samstags zunächst freudig bis zum Schluss offen gelassen, längst macht man wieder um 18 Uhr zu. Es lohnt schlicht nicht, den Apparat für wenige zu öffnen.
Und die Gewerkschaft? Sie wirft sich zu Recht für die Beschäftigten in die Bresche, die auch spätabends ranmüssten. Allein, auch die Arbeitnehmervertreter polemisieren. Der Ladenschluss mag kippen, die Öffnungszeiten werden sich vor allem an einem orientieren – dem gesunden Menschenverstand.
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