Bildung: Bayerische Landmädl sind Verlierer

Den Noten nach sind sie Spitze: Jede zweite Schülerin in Bayern könnte aufs Gymnasium. Doch auf dem Land gelten für Mädchen andere Prioritäten.

Aufs Gymnasium? In Bayern warten auf die Mädchen andere Aufgaben. Bild: dpa

In der bayerischen Provinz geht nicht einmal jedes vierte Mädchen aufs Gymnasium. Und die Grundschuleltern sind unzufrieden mit dem dreigliedrigen Schulsystem. 73 Prozent wünschen sich, dass Kinder mindestens sechs Jahre gemeinsam in die Schule gehen.

Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Studie zur bayerischen Bildungssituation, die jetzt an der Uni Augsburg fertig gestellt worden ist. Iris Weber und Stefanie Weber haben für ihre Magisterarbeit über 1.000 Viertklässler sowie deren Eltern befragt. Untersucht wurde die Situation in der Schwabenmetropole Augsburg und in Orten mit weniger als 6.000 Einwohnern.

"Wir haben das benachteiligte katholische Landmädchen gesucht, den Inbegriff der Bildungsverliererin in den 60er-Jahren", erklärt Stefanie Weber. Die Arbeitshypothese traf zu, auch wenn die Religion kaum noch eine Rolle spielt: "Wir waren sehr überrascht, dass die Bildungssituation für Mädel auf dem Land weiterhin so schlecht ist." Nur 22 Prozent der Landmädchen wechseln auf das Gymnasium, bei den Jungen ist der Prozentsatz etwas höher. In der Stadt dagegen gehen 44 Prozent der Mädchen auf die Oberschule. An den Noten liegt das nicht: Ob Stadt oder Land, über die Hälfte der Grundschülerinnen hat den notwendigen Gymnasialschnitt (mindestens 2,33).

Oder andersherum gesehen: Im Oberallgäu geht beinahe jeder zweite Grundschüler auf die Hauptschule, in Augsburg dagegen nur 30 Prozent. Für Stadt-Mütter ist die Hauptschule "ein absolutes Schreckgespenst", so das Fazit der beiden Autorinnen.

Ausschlaggebend für die Wahl der Schule sei neben dem Image auch die unterschiedliche Bildungsorientierung. Land-Eltern möchten ihre Kinder, besonders die Mädel, vor allem auf einen praktischen Beruf vorbereiten. Die Studie hat zwar herausgefunden, dass zwei von drei Landmüttern berufstätig sind - das ist die gleiche Zahl wie bei den Stadtmüttern. Sie haben aber eine geringere Schulbildung und schlechtere Jobs. Nach Meinung der Autorinnen vererbt sich diese Berufsorientierung. "Landmädchen werden nicht zur Bildung angehalten und sind aufgrund des traditionellen Rollenverständnisses benachteiligt."

Zusätzlich vermiesen weite Wege, schlechte Busverbindungen und die geringe Auswahl an Fachgymnasien die Lust auf die Oberschule. Zwei von drei Landeltern gaben zudem an, ihr Kind vor dem Stress des achtstufigen Gymnasiums schützen zu wollen. Ganz anders die Stadteltern. 66 Prozent von ihnen kreuzten an: "Ohne Abi ist keine vernünftige Existenz möglich."

So bald wird sich nichts ändern für die gescheiten bayerischen Landmädel: "Weder das Kultusministerium noch die CSU-Landtagsfraktion haben die 500-Seiten-Studie nachgefragt", sagt Stefanie Weber. Die Grünen haben die Studie im Landtag publik gemacht. "In keinem anderen Bundesland sind die Bildungschancen so eng an die Herkunft - ob sozial oder geografisch - gekettet wie in Bayern", klagt ihre bildungspolitische Sprecherin Simone Tolle. Sie fordert ein Konzept für Chancengleichheit im ländlichen Raum.

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