Fernsehfilm: Bekloppt ist sie nicht allein

Maren Eggert überzeugt als Neurotikerin im Tupper-Party-Milieu: "Die Frau am Ende der Straße" (Mittwoch, ARD, 20.15 Uhr).

Maren Eggert (l.) und Inga Busch - Neulich bei Kleinbürgers. Bild: dpa

Ein junges, glücklich verheiratetes Paar zieht in ein neues Zuhause ein. Die Nachbarn machen einen netten Eindruck. Alles scheint so schön. Aber dann entfaltet sich langsam das albtraumhafte Geschehen - ein beliebtes Motiv, das etwa auch "Rosemarys Baby" trägt. "Die Frau am Ende der Straße" entspricht dem Schema und funktioniert doch anders. Denn hier geht die Bedrohung nicht von den anderen aus - sondern von der Protagonistin.

Martina hat eine neurotische Störung, den genauen Befund bleiben Regisseurin Claudia Garde und Drehbuchautor Thomas Schwank schuldig. Nach einer Auszeit wagt Martina den Neuanfang: Es kostet sie Kraft, aber sie hat sich unter Kontrolle - bis sie zwischen ihrem Mann Stefan (Matthias Brandt) und der unkomplizierten Nachbarin Evelin (Inga Busch) mehr als Freundschaft vermutet. "Kannst du dich nicht einmal wie eine ganz normale Frau benehmen: einkaufen, sauber machen, dich um unser Kind kümmern?", fragt Stefan. Sie kann es nicht.

Am Sonntag war Maren Eggert noch als Psychologin Frieda Jung im Kieler "Tatort" zu sehen, jetzt ist sie "die Bekloppte", wie eine Kollegin in der Stadtbücherei sie nennt. Die glaubhafte Darstellung eines psychisch Kranken ist gewiss eine der größten schauspielerischen Herausforderungen - Dustin Hoffmans Verkörperung eines Autisten hat ihm vor 20 Jahren den Oscar beschert. Die alltägliche Überforderung und das Bemühen, sich diese nicht anmerken zu lassen: Eggert spielt das sehr überzeugend. Filmische Hilfestellungen wie das laute Uhrticken hätte sie nicht nötig gehabt. Claudia Garde, die mit ihr zwei "Tatorte" gedreht hat, hätte das wissen können. Ein störendes Detail, mehr nicht. Die in dieser Woche tagende Nominierungskommission für den Grimme-Preis dürfte an dem Film kaum vorbeikommen.

Neben der persönlichen bezeugt der Film aber noch eine zweite Eskalation. In immer wiederkehrenden Totalen hat Kameramann Michael Hammon eingefangen, was der Sender eine "idyllische Neubausiedlung am Rande von Hamburg" nennt. Die Städte ufern aus, werden immer diffuser: Randzonen, endlose Streusiedlungen, urbanisierte Landschaft - Architekt Rem Koolhaas hat dafür den Begriff "Junk-space" gefunden.

Die Uniformität der Reihenhäuser ist die passende Bühne für Martinas Katastrophe. Genauso uniform soll sie sich verhalten. Stefan: "Wenn du da nicht mitmachst, dann stößt du die nur vor den Kopf." Es ist eine bedrohliche Spießerwelt, in die sich einzufinden alle von ihr erwarten. "Tupper-Party, Dessous-Party - morgen vielleicht Swinger-Party, oder wie?", fragt Martina. Bis zu einem gewissen Grad erscheint ihr Kontrollverlust nur plausibel. Bekloppt, das ist sie nicht alleine.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.