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LARS PENNING
Wenn Kimmo Pohjonen behauptet, Akkordeon sei im Finnischen ein Synonym für Arschloch, dann meint er das vermutlich nur im übertragenen Sinne. Doch es beschreibt ganz gut sein Verhältnis zu dem Instrument: Zwanzig Jahre hat er benötigt, es sich jenseits aller Konventionen anzueignen, und vom braven Bubi mit Quetschkommode zu jenem Virtuosen heranzureifen, der heute progressive Metal-Soundgewitter mit Rockbands veranstaltet, moderne Klassik mit dem renommierten Kronos Quartet spielt oder in seinem Earth Music Project Stücke für Akkordeon, landwirtschaftliche Maschinen und muhende Kühe aufnimmt. „Es sollte keine Standards geben, wie man ein Instrument spielt“, heißt es in der Dokumentation „Soundbreaker“ (2011) von Kimmo Koskela, der Pohjonens verschiedene Projekte attraktiv in Szene gesetzt hat - und selbst, wenn man sich nicht unbedingt für jede musikalische Volte des finnischen Musikers begeistern mag, fasziniert doch sein Wille, sich und sein Instrument ständig neu zu definieren: ein spannender Typ. „Soundbreaker“ läuft im Eiszeit-Kino in der kleinen Reihe „Nordlichter“, die neue Filme aus Europas Norden vorstellt.
(2. 2., 6. 2. Eiszeit-Kino)
Der Film war der Anlass für das endgültige Zerwürfnis zwischen zwei Ikonen der Nouvelle Vague: Nachdem er François Truffauts Film-im-Film-Komödie „La nuit américaine“ (1973) gesehen hatte, schrieb Jean-Luc Godard dem Kollegen einen Brief, in dem er ihm eine bourgeoise Attitüde attestierte und ihm vorwarf, er habe sich vom Kino einfangen lassen. Der Hieb saß, und der Riss in der Freundschaft der beiden, die bis in die frühen 1950er Jahre zurückging, ließ sich nicht mehr kitten. Dabei trat mit dem Streit nur offen zutage, was lange klar war: Truffaut besaß nicht den analytischen Ansatz Godards, sondern drehte charmante Unterhaltungsfilme für den gehobenen Anspruch. Das ist auch mit „La nuit américaine“ nicht anders, in dem Truffaut die Dreharbeiten eines fiktiven Films schildert, die trotz allerhand Problemen mühelos voranschreiten: ein leichter und märchenhafter Film. ((OmU) 3.2. Babylon Mitte)
Rund zehn Jahre zuvor hatte der direkte Kontrahent Godard mit „Bande à part“ (1964) einen Film gedreht, den ich leider nie ganz zu Ende gesehen habe. Denn irgendwann stand der Filmvorführer (ich glaube, es war Tom Tykwer) deprimiert mit den Resten der zerstörten Filmkopie im Foyer des Moviemento. Doch was bis dahin gelaufen war, schien durchaus vielversprechend: eine spielerische Genrevariation um einen missglückenden Überfall, in der Anna Karina, Sami Frey und Claude Brasseur unter anderem eine rekordverdächtige Louvre-Besichtigung hinlegen: unter zehn Minuten! ((OmU) 31. 1. Babylon Mitte)