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IrakMit Humanität gegen Autobomben

Der bislang schwerste Terroranschlag im Irak richtete sich gegen die religiöse Minderheit der Jesiden. Seither kämpfen die Menschen mit der Angst.

Die Minderheit der Jesiden kämpft um ihre Existenz Bild: dpa

Es gab einen riesigen Knall, dann große Dunkelheit. Stunden später wachte Hasem Haider im Krankenhaus auf. An mehr kann sich der 17-Jährige nicht mehr erinnern. Er hat die brutalen Terroranschläge auf die religiöse Minderheit der Jesiden im Irak überlebt.

In den frühen Abendstunden des 14. August hatten Terroristen in den beiden Ortschaften Dschasira und Kahtanija nahe der Stadt Sindschar, nordwestlich von Mossul, innerhalb weniger Minuten vier mit Sprengstoff präparierte Lastwagen explodiert. Es waren die bisher schlimmsten Terroranschläge seit dem Sturz des Saddam-Regimes vor viereinhalb Jahren. Nach offiziellen Angaben kamen 309 Menschen ums Leben, mehrere Hundert wurden verletzt.

Die Opfer waren ausschließlich Jesiden, Angehörige einer religiösen Minderheit, die von islamischen Extremisten als Ungläubige verfolgt werden.

Obwohl zahlreiche namhafte sunnitische und schiitische Geistliche die Bombenanschläge scharf verurteilten, muslimische und christliche Ärzte und Schwestern Sonderschichten einlegten, um die vielen Verletzten zu versorgen, ist die Furcht der Jesiden vor der Vernichtung seitdem noch größer geworden. "Wir müssen mit ihnen leben", sagt der Onkel von Hasem Haider mit Blick auf die Muslime. "Aber wir haben Angst. Große Angst."

Gegen die seelischen Verletzungen kann Mirza Dinnaye nur schwer etwas tun. Aber zumindest zur Heilung der körperlichen Wunden will er beitragen. Dinnaye lebt seit vielen Jahren in Deutschland und ist selbst Arzt. Nach den Terroranschlägen hat er spontan eine Spendenkampagne ins Leben gerufen, die bisher mehr als 120.000 Euro eingebracht hat. Ein Teil des Geldes soll jetzt für den Transport und die Betreuung von sechs minderjährigen Patienten in Deutschland verwendet werden. Das Uni-Klinikum Aachen und zwei Spitäler in Osnabrück haben sich bereit erklärt, jeweils zwei Patienten kostenlos zu behandeln.

Der 17-jährige Hasem Haider ist einer von ihnen. Sein Körper ist voller Splitter, die Operationen sind so kompliziert, dass sie von irakischen Ärzten nicht durchgeführt werden können. Sein 15-jähriger Zimmernachbar hat komplizierte Unterschenkelbrüche, er ist so abgemagert, dass man an seinem gesunden Bein jeden Knochen zählen kann. Mit einem dicken Verband um den Kopf sitzt der fünfjährige Maher auf seinem Bett in einem Hotelzimmer in Arbil. "Patient Nummer 7" hatten ihn die Ärzte genannt, weil sie wochenlang nicht wussten, wer er ist.

Um den Transport der Kinder nach Deutschland zu organisieren, hat Dinnaye einen Verdienstausfall von mehreren Wochen in Kauf genommen.

Nachdem die irakischen Behörden Pässe und die deutsche Botschaft Visa ausgestellt haben, steht der Arzt nun vor dem nächsten Hindernis. Am frühen Mittwochmorgen sollte eigentlich der Flug von Arbil nach Deutschland gehen, doch dann entzog die Türkei der Fluggesellschaft die Überfluggenehmigung. Jetzt heißt es, die Kinder kämen am heutigen Freitag am Düsseldorfer Flughafen an.

Weitere acht Patienten warten im Notfallspital von Dohuk; auch sie müssen dringend in Spezialkliniken behandelt werden. "Das Einzige, womit wir dem Terror begegnen können", sagt Dinnaye, "ist unsere Humanität."

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