die wahrheit: Unter Untertassen

Die deutsche UFO-Meldestelle in Mannheim. Ein Besuch im außerirdischen Bereich.

Als Kind begeisterte er sich für "Perry Rhodan" und für "Raumschiff Orion". Bild: ap

Mannheim, unendliche Weiten vom Zentrum entfernt liegt Vogelstang. Hier ist das irdische Leben der Menschen in jene Betonzellen eingeschlossen, die man in der DDR Arbeiterschließfächer nannte. Doch aufklärerischer Geist und Forscherdrang kann auch an diesem Ort gedeihen, vielleicht hier erst recht. Im zweiten Stock eines Wohnblocks befindet sich Deutschlands Basisstation für Ufologie, das sagenumwobene Centrale Erforschungsnetz außergewöhnlicher Himmelsphänomene (CENAP).

Werner Walter öffnet die Tür und führt hinein in den Ufo-Aufklärungsstützpunkt, der zugleich seine Wohnung ist. Zweieinhalb Zimmer. Während das Wohnzimmer nur die elementarsten Spuren menschlicher Einrichtungsfantasie zeigt, entpuppt sich das kleine Nachbarzimmer als Universum der Aktivität. Im Mittelpunkt steht ein mit Büchern und Papierkram überquellender Schreibtisch mit PC: dem Hort der Falldatenbank. Hier werden die Beobachtungen des außerirdischen Geschehens über Deutschland entschlüsselt und verwaltet.

Seit über 30 Jahren hat sich der Einzelhandelskaufmann Werner Walter dem Forschungsobjekt verschrieben, in Heimarbeit. Als Hauptinstrument der wissenschaftlichen Aufklärung dient das Ufo-Phone. Eigentlich ist es ein ganz normales Telefon, inzwischen schnurlos. 90 Prozent der Meldungen kommen auf diesem Wege zur privaten Stiftung Ufo-Test.

Da unerklärliche Himmelserscheinungen am häufigsten nachts gesichtet und gemeldet werden, ahnt man, warum die Frau von Werner Walter irgendwann ausgezogen ist. Eigentlich hat er selber die Schnauze voll von seinem Beraterhobby, weil "kein Prickeln mehr" da ist. Doch das Ufo-Phone klingelt immer noch. Am anderen Ende der Leitung waren in diesem Jahr bereits mehrere hundert Melder, vor allem aus dem Ruhrgebiet und Süddeutschland. Für die gestiegene Erklärungsnot angesichts mystischer Ereignisse gab es 2007 verschiedene Gründe, zum Beispiel die Fußballmeisterschaft des VfB Stuttgart. "Danach bekamen wir viele Meldungen. Es handelte sich offenbar um asiatische Miniaturheißluftballons, die sind nämlich weiß-rot. Die Ballons lassen die Leute neuerdings gern auf Partys steigen." Den meisten verwirrten Himmelsguckern kann Werner Walter an der Ufo-Hotline dank seiner Erfahrung weiterhelfen. "Wie ein Therapeut lasse ich die Leute erzählen und überprüfe bei mir in der Kopfmaschine, was wozu passt." Der "Parameterabgleich" dauere schon mal bis zu einer halben Stunde. "Das nervt gelegentlich, aber was will man machen. Ich bin halt infiziert. Was die Leute mit meinen Informationen machen, ist ihre Sache."

Die Infektion geschah vor vielen Jahren, aber eigentlich noch viel früher. Sie steht offenbar in einem größeren Zusammenhang von Zufällen, der 2007 besonders augenscheinlich ist: 60 Jahre Ufo-Mythos, 50 Jahre Raumfahrt, 50 Jahre Werner Walter. "Ich bin auch ein Kind des Weltraumzeitalters, ohne das es die Ufo-Geschichten nie gegeben hätte." Als Kind habe er sich für "Perry Rhodan" begeistert und für "Raumschiff Orion", - "übrigens mit der Form einer Untertasse, wieder so ein Zufall, aber egal". In der Schule wurde er Amateurastronom und beobachtete Sonnenflecken. "Das hat mich fürs Weltall offen gemacht." 1973 passierte es dann beim Tischtennisspielen, der Ball flog auf den Boden und beim Aufheben sah Werner Walter am Himmel eine fliegende Raute.

Als die Ufo-Mania kurz darauf über ganz Deutschland kam, widmete er sich dem Phänomen als Hobbygucker in der Sternwarte Mannheim, wo schon der nächste Zufall lauerte. Die Profigucker wiegelten so verdächtig ab, dass sie eine Eruption der Unzufriedenheit verursachten, aus der heraus die CENAP geboren wurde. Eines von zwei Gründungsmitgliedern war Werner Walter. Bis in die Achtzigerjahre hinein konnten sie bundesweit 70 Mitglieder um sich scharen, heute sind es nur noch knapp 30. Ausschließlich Männer. "Frauen gehen eher in die astrologische Ecke oder verschwinden im esoterischen Bereich, wegen der romantischen Note. Bei uns sind es ja mehr technische Fragen."

Die Frauen auf den CENAP-Jahrestreffen sind allesamt Gattinnen von Mitgliedern, die dort über den sozial-kulturellen Aspekt des Ufo-Mythos referieren oder über die juristische Vertretung von Alien-Opfern. Weil angeblich von Ufos Entführte oft jammern, ihnen würde nicht geholfen, hat sich ein Mitglied aus Dresden als Rechtsanwalt auf das Opferhilfeentschädigungsgesetz besonnen und ihnen angeboten, auf Invalidenrente zu klagen. Nicht aus Geschäftssinn, wie Werner Walter sagt. "Wir von CENAP wollten die Leute zwingen, ihre Behauptung vor Justitia mal durchzustehen. Aber die Hälfte sind sowieso Schwindler." Weil es noch mehr "Spinner" gibt, zum Beispiel schabernackwillige Jugendliche, hat Werner Walter einen Anrufbeantworter ans Ufo-Phone angeschlossen. Ob Nina Hagen schon mal draufgesprochen hat? "Nein, noch nicht." Hält er sie überhaupt für eine gute Botschafterin der Bewegung? Das Augenrollen des CENAPlers mündet in einem bedeutungsschweren Blick. Dabei glaubt auch er an Außerirdische. "Aber das muss man trennen - die Alienfrage und die Ufo-Diskussion."

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