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Archiv-Artikel

Regierung paktiert mit rechts und links

Polens Minderheitsregierung kann sich auf die linkspopulistische Bauernpartei und den Rechtsausleger Liga der polnischen Familien stützen. Premierminister Marcinkiewicz kündigt „moralische Revolution zur Säuberung“ staatlicher Institutionen an

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

„Was uns heute fehlt, ist ein neuer Pilsudski“, hieb Polens größte Boulevardzeitung Fakt in die patriotische Kerbe. Pilsudski, der zwischen den beiden Weltkriegen in Polen als autoritärer Staatsführer mit nationalistischen Parolen auftrat, gilt nach wie vor als Vorbild.

Schon vor der gestrigen Sitzung im Sejm galt es als abgemacht, dass Kazimierz Marcinkiewcz die Vertrauensabstimmung über die von ihm geleitete Minderheitsregierung der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewinnen würde. Schon am Mittwoch hatten Andrzej Lepper von der linkspopulistischen Bauernpartei Selbstverteidigung (Samoobrona) und Roman Giertych von der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR) versichert, dass sie mit ihren Fraktionen geschlossen hinter der neuen Regierung stehen würden.

Die Rechnung war einfach. Marcinkiewicz und seine Regierung brauchen mindestens 231 Stimmen im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, um regieren zu können. Zwar hätte die PiS als stärkste Partei mit 155 Stitzen zusammen mit der liberalen Bürgerplattform (PO) und deren 133 Mandaten eine komfortable Mehrheit erreicht. Doch schon im Wahlkampf und später in den Koalitionsverhandlungen zerfiel die lang angekündigte Koalition.

Der PiS-Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski hatte längst eine Alternative. Aktiv hat er den Kontakt zu den rechtsradikalen und populistischen Parteien gesucht. Der Plan ging auf. Vorgezogene Neuwahlen wird es vorerst nicht geben.

Sowohl Lepper wie Giertych ist klar, dass sie nur mit der PiS an der Macht teilhaben werden. Sie geben sich staatsmännisch und seriös. Mit einer „moralischen Revolution“ will Polens neuer Regierungschef den Staatsapparat zunächst „radikal säubern“. Neben einer neu zu schaffenden Antikorruptions-Behörde sollen auch Massenentlassungen in Polizei und Geheimdiensten für „Sauberkeit“ in Staat und Wirtschaft sorgen. Abgeschafft wurde auch schon das Amt für Gleichstellung von Frau und Mann. Dafür sollen Mütter demnächst länger zu Hause bleiben und ein höheres Babygeld erhalten.

Die hohe Arbeitslosigkeit in Polen will Marcinkiewicz mit einem gigantischen Wohnungsbauprogramm und billigen Krediten bekämpfen. Allerdings sinken Zloty- und Aktienkurse, seit die neue Finanzministerin erklärte, bestimmte ausländische Investitionen seien in Polen nicht erwünscht. Es wird schwer sein, das Vertrauen des Auslands wiederzugewinnen – noch dazu für eine Minderheitsregierung, die auf die Stimmen von Populisten und Rechtsradikalen angewiesen ist.