: Hilfsarbeiter werden zu Helden
FUSSBALL Der FC Barcelona will bei der Klub-Weltmeisterschaft in Abu Dhabi den sechsten Titel des Jahres 2009 gewinnen – und ganz nebenbei noch den Flugverkehr beschleunigen
VON RONALD RENG
Die Zahl der Arbeitslosen in Spanien nähert sich den 20 Prozent und der amerikanische Friedensfreund Barack Obama nervt, Spanien solle doch mehr Soldaten in den Afghanistankrieg schicken, aber irgendwie glaubte der Chef des FC Barcelona, Joan Laporta, Spaniens Präsident José Luis Zapatero habe nicht genug zu tun. Vergangene Woche rief Laporta Zapatero an, um ihm mal ein echtes Problem zu schildern. Die spanische Luftfahrtbehörde zwinge Barça auf dem Flug zur Weltmeisterschaft für Klubteams in Abu Dhabi zur Zwischenlandung in Istanbul, der Champions-League-Sieger sei so neun statt sechs Stunden unterwegs. Unzumutbar, fand Laporta, könne Zapatero da nichts machen, schließlich sei er doch Barça-Fan!
Man habe nur „schöne Worte“ von Zapatero gehört, berichtete Barças Generaldirektor Joan Oliver grimmig, um sich sogleich katalanischen Verschwörungstheorien hinzugeben. „Die spanischen Fluglinien versuchen, uns zu boykottieren, weil wir jetzt mit Turkish Airlines fliegen“, polterte Oliver. Die türkische Fluglinie zahlt dem Klub neben dem kostenlosen Transport 1,5 Millionen Euro pro Saison für den Werbeeffekt. „Wenn nicht Barça, sondern ein spanisches Team betroffen gewesen wäre, hätte man die Sache gelöst“, behauptete Oliver. „Aber wir sind nur noch Spanier, wenn es die Spanier interessiert.“
So landete Barça schließlich nach neunstündiger Anreise in den Emiraten, um einem einmaligen Jahr den letzten Glanz zu geben. Mit der Klub-WM, die für Barça an diesem Mittwoch im Halbfinale gegen den FC Atlante aus Mexiko beginnt, hätte die Elf 2009 alle möglichen sechs Titel gewonnen. Die Klub-WM, umgangssprachlich weiterhin eher als Weltpokal bekannt, wäre nach Champions League, Meisterschaft, Pokal, spanischem und europäischem Super-Cup im Prinzip zwar nur eine schöne Zugabe, für Barça dieses Jahr aber auch eine Besessenheit: Es ist der einzige Titel, den der Klub noch nie gewann.
2009 war das Jahr Barças, und das Schönste, was diese Klub-WM nun werden kann, ist ein Jahresrückblick, ein Best-of-Barça-Zusammenschnitt. Was sie 2009 vor allem offenbarten, war, wie eine funktionierende Spielideologie jeden einzelnen Fußballer besser macht. Jeder Hilfsarbeiter der Elf sah aus wie Weltklasse: Sogar aus Gerard Piqué wurde Piquenbauer. Seine aufrechte Haltung beim Dribbling aus der Abwehr erinnert an die Eleganz des Münchner Kaisers Franz Beckenbauer. „Ich habe ja nicht viel von Beckenbauer gesehen“, sagt Piqué, geboren 1987, „ich vermute aber mal, dass der Vergleich ein klein wenig übertrieben ist.“
Doch lässt sich an Piqué genau festmachen, was Barça heraushebt. Er ist seit seiner Geburt Mitglied des FC Barcelona, sein Opa meldete ihn an. Mit 17 emigrierte Piqué nach Manchester, das legendäre United rief. Mit 20, vor zwei Jahren, ließ ihn Uniteds Trainer Alex Ferguson jedoch nach Barcelona zurückkehren, weil er nach einigen Schnitzern nicht mehr absolut an den Innenverteidiger glaubte. Im Mannschaftsspiel Barças aber wurde Piqué zum Nationalspieler. Denn ihr strukturiertes Spiel machte aus dem talentierten einen methodischen Verteidiger, auch beim Dribbling: Ist Barcelonas Aufbauspieler Xavi im Mittelfeld bewacht, dribbelt Piqué absichtlich und provokant auf Xavi zu, so dass dessen Gegner von ihm ablässt, um auf Piqué zuzustürzen; Xavi ist befreit, der Angriff beginnt. Solche Details entscheiden heutzutage Partien. Barça pflegt sie wie niemand.
Dass Barça am Sonntag – im besten Fall als Klub-Weltmeister – wieder neun Stunden zurückfliegen muss, ist für Piquenbauer auch kein Problem, sondern eine Chance. Er ist der Clown des Teams, Rückflüge sind seine Auftritte. Einmal ließ er nachts um zwei den Duty-Free-Shop in Kiew für sich öffnen, um eine Schachtel Pralinen zu kaufen und jeden Mitspieler mit einem Stück Süßes zu belohnen, ein andern Mal initiierte er eine Kissenschlacht. Er wird sich auch diesmal etwas einfallen lassen. Die spanische Luftfahrtbehörde erinnerte Barças Präsidenten Laporta unterdessen daran, dass er mal hätte nachdenken sollen, bevor er den Vertrag mit Turkish Airlines unterschrieb, statt nachher zu schreien. Als man Barça zum Zwischenstopp in Istanbul verdonnerte, habe man nur die internationalen Normen angewandt. Direkte Flüge zu Zielen außerhalb der EU sind nur Fluglinien aus dem Abflug- oder Ankunftsland gestattet.