Neue Kunst aus Bremen

AUSSTELLUNG Collagen, gestickte Wandbilder und seltsame Einbuchtungen: Im KUBO sind Arbeiten der neuen Mitglieder des Berufsverbandes bildender Künstler zu sehen

Mit einem Golfschläger in der Hand steht er auf einer Wiese und ballert dann Golfbälle gegen einen handelsüblichen zehn Kilo schweren Beutel Ton

VON RADEK KROLCZYK

Jährlich stellt der Bremer Berufsverband bildender Künstler (BBK) in der Galerie Mitte im Ostertor der Öffentlichkeit seine neuen Mitglieder vor. Der Verband hilft Künstlerinnen und Künstlern bei der Vernetzung und der Öffentlichkeitsarbeit – so etwa mit der vierteljährlich erscheinenden BBK-Zeitschrift up-art. Eine Handvoll Neumitglieder dürfen in einer zweiteiligen Ausstellung ihre Arbeiten präsentieren. Der zweite Teil wurde am gestrigen Freitag eröffnet.

Zu den Neuzugängen der ersten Ausstellungstranche gehören Rainer Weber und Annelie Käsmayr aka „dilettantin produktionsbüro“. Der 1970 in Baden-Württemberg geborene Weber ist ein sehr experimentierfreudiger Bildhauer mit einem deutlichen Hang zum Absurden. Da wären zum Beispiel seine unförmigen Steinguss-Skulpturen der Serie „Golf“ aus dem letzten Jahr: grau-weiße Klumpen mit seltsamen Einbuchtungen.

Ein paar kleine Aufnahmen zeigen Weber bei der Arbeit. Mit einem Golfschläger in der Hand steht er auf einer Wiese und ballert dann Golfbälle gegen einen handelsüblichen zehn Kilo schweren Beutel Ton. Weber hat davon schließlich Abgüsse genommen, schwarz und orange lackierte Blasengebilde aus Acrylharz, die er „antikapitalistische Kleinplastiken“ nennt.

Das 2003 gegründete „dilettantin produktionsbüro“ fiel in der Vergangenheit mit zahlreichen Aktionen auf, in denen die Grenzen zwischen Kunst und Alltag ausgetestet wurden. Neben einem Plattenladen und einem Werder-Fanshop eröffnete das „produktionsbüro“ 2007 im Steintor das Restaurant „drei Jahre“ – ein echtes Restaurant mit Belegschaft, Speisekarte, Geschäftsführung und Auszubildenden.

Der Kunstcharakter wurde hier im Namen angedeutet, denn drei Jahre, so heißt es in der Branche, brauche ein Gastronomiebetrieb gewöhnlich, um schwarze Zahlen zu schreiben. Nach drei Jahren aber schloss das Restaurant einfach wieder und beließ es bei der Vorlaufphase.

Als Fortsetzung dieses Projekts ist nun der Reader „No Art Around“ erschienen, der im Untertitel „Über die (Un)möglichkeit ein Restaurant als Kunst zu betreiben“ heißt und Texte zu künstlerischen Fragen mit kunstfernen Essays zusammenbringt.

Der seit gestern eröffnete zweite Ausstellungsteil stellt nun vier weitere Neumitglieder des BBK vor: Jutta Kritsch, Carolin Weise, Marie S. Ueltzen und Anja Fußbach. Mit Kritsch und Weise hat der Verband zwei Malerinnen dazugewonnen. Die 1959 geborene Kritsch arbeitet collagenhaft und bringt in ihren Bildern unterschiedliche Motive aus Kunstgeschichte und Popularkultur, barocke Stillleben, anatomische Schaubilder und Disneyfiguren zusammen.

Die 46-jährige Weise versteht sich als abstrakte Malerin. Ihre ans Informel erinnernden organischen Formen malt sie auf dunkle, nicht grundierte Leinwand. Die Acrylfarben trägt sie von hinten auf, auf der Vorderseite erscheinen die Flächen, als handele es sich dabei um Drucke.

Marie S. Ueltzen, Jahrgang 1963, hat eine lange als Kunsthandwerk verschriene Praxis als künstlerisches Mittel für sich entdeckt: die Stickerei. Überhaupt scheinen die Handarbeiten einen regelrechten Boom in der aktuellen Kunst zu erleben. Bewegungen wie das Radical Crafting postulieren gar die künstlerische Aneignung der Handarbeit als emanzipativ im Sinne der Do-it-yourself-Kultur.

Ueltzen zeigt in der Galerie Mitte ein riesiges, zum Teil gesticktes Wandbild, das ein schwarzes Pferd über einer Hochhaussiedlung darstellt. Die Flächen der Häuser und des finsteren Tieres sind mittels einer schnellen Technik, dem Klosterstich, bestickt. Dabei fällt die feine Farbabstimmung auf: „Es gibt bei Wolle 106 Farbtöne, das sind meine Farbtuben“, sagt Ueltzen.

Auch die 1965 geborene Anja Fußbach stickt ihre Bilder. In der Galerie Mitte zeigt sie einen Wandteppich, auf dem ein Birkenwald zu sehen ist. Zwischen den Bäumen sitzen seltsame Tiere. Hinter einem der Bäume hat sie ein Foto von sich montiert. Mit einer Schrotflinte zielt sie auf die Waldtiere.

Fußbach arbeitet hauptsächlich als Bildhauerin. Mit allerlei Alltagsmaterial und Abfall baut sie ihre anarchischen Figuren. Zum Aufbau brachte sie auf dem Dach ihres VWs ein Bündel dünner Birkenstämme, die sie vor den gestickten Birkenwald überlegt hatte zu pflanzen. Sie ist dann aber davon abgekommen, ein Wald reiche schließlich.

Stattdessen hat sie zwei skurile Figuren vor das Wandbild gestellt: einen Porzellantiger mit Menschenkopf und eine metallische menschliche Figur. Anstelle eines Kopfes trägt sie eine Fellmütze – es ist Fußbachs Mütze, die sie ihrer Figur für die Dauer der Ausstellung geliehen hat.

■ Noch bis zum 22. Februar in der Galerie Mitte im KUBO. Weitere Infos unter www.bbk-bremen.de