: Festival der Fundstücke
In den Straßen einer französischen Kleinstadt brennen nachts die Autos. Der Bürgermeister ordnet eine Ausgangssperre an, die Bürger verfolgen das Chaos vor ihren Haustüren ängstlich auf ihren Fernsehern, das Militär rückt an und schießt auf die Aufsässigen. Nein, dies waren am Donnerstagabend nicht die neusten Fernsehnachrichten, sondern wurde auf einer Kinoleinwand in Braunschweig gezeigt. Denn dort lief der Spielfilm „Les Revenants“ von Robin Campillo, der 2004 diese gespenstisch prophetische Sequenz inszenierte. Bei ihm sind es allerdings die Verstorbenen der letzten zehn Jahre, die durch die Straßen streunen. Wie Schlafwandler sind sie plötzlich aus den Friedhöfen zurück zu ihren Familien und Arbeitsplätzen gekommen, und der Film ist nicht etwa ein Zombieschocker, sondern beschreibt zugleich nüchtern und poetisch, wie die Lebenden von den Toten heimgesucht werden.
Beim 19. internationalen Filmfest Braunschweig läuft der Film neben anderen, meist auf anderen Filmfestivals entdeckten Fundstücken, in einer Reihe „Neues Internationales Kino“, die zum Pflichtprogramm eines Filmfests gehört. Ein eigenes Profil hat das kleine, aber feine Publikumsfestival, das in vier Sälen des hiesigen Multiplexes sowie in dem einzigen noch verbliebenen Programmkino stattfindet, aber durch den Programmschwerpunkt „Musik und Film“.
Neben den acht Filmen der Hommage an Stargast Craig Armstrong gab es in diesem Jahr als Galavorstellungen im Staatstheater Neuvertonungen der Stummfilmklassiker „Steam Boat Jr.“ von Buster Keaton und „Madame Dubarry“ von Ernst Lubitsch, aufgeführt vom Staatsorchester Braunschweig. Und es gibt traditionell eine Programmschiene mit besonders ausgefallenen Entdeckungen.
In diesem Jahr sind dies Science-Fiction-Filme aus dem Osteuropa 50er- bis 80er-Jahren. Denn auch in der DDR, in Polen und der CSSR träumte man von Raumfahrten auf ferne Planeten, von Robotern und Außerirdischen. Und da nichts so schnell altmodisch und naiv wirkt wie unsere Zukunftsvisionen von gestern, sind diese Filme heute voll unfreiwilliger Komik. Dabei zählten sie einst zu den teuersten und erfolgreichsten Produktionen der sozialistischen Länder. Die Ausstattung des Defa-Films „Der schweigende Stern“ war der der bundesdeutschen TV-Serie „Raumpatrouille Orion“ mindestens ebenbürtig, und die literarische Vorlage stammte immerhin von Stanislaw Lem. In Braunschweig werden neun dieser sozialistischen Weltraumopern mit so schönen Titeln wie „Staub der Sterne“ oder „Der Mann aus dem 1. Jahrhundert“ gezeigt. hip