: Wie der Film klingt
Oft gehört, kaum bemerkt – und trotzdem ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann Craig Armstrong seinen Oscar erhält. Denn er zählt zu Hollywoods Lieblingskomponisten. Beim Filmfest Braunschweig erklärt er, wie die Musik zu den Bildern kommt
von Wilfried Hippen
Wenn sich in den Augen der Sterbenden noch ein letztes Mal das Licht der Kerzen spiegelt, ist dies wie ein winziger Funken der Hoffnung, und die Streicher wechseln für ein paar Takte von Moll auf Dur. Kaum ein Zuschauer wird es bemerkt haben, wie bei dem melodramatischen Höhepunkt von Baz Luhrmanns „Moulin Rouge!“ dieser kleine, lichte Moment auch durch die Filmmusik heller wird.
Besucher des Internationalen Filmfests in Braunschweig sind da im Vorteil. Denn dort ist Craig Armstrong zu Gast, derzeit einer der erklärten Lieblingskomponisten Hollywoods. Und am Donnerstagabend spielte er, in einem Kino, im Anschluss an eine Vorführung von „Moulin Rouge!“, noch einmal seine eigene, eben gehörte Musik auf dem Flügel vor. Er erklärte, was die vom Regisseur erwünschte Wirkung war und wie er, Armstrong sie erreicht hat.
Für viele ein Aha-Erlebnis, denn so auf die Note genau wird selten deutlich, wie die Musik beim Film funktioniert. „Ich war nicht postmodern, ich war wirklich traurig, als Nicole Kidman starb“, sagte er dazu. Und dabei ist er vielleicht doch ein wenig kokett, denn erstens stirbt in dem Film ja Satine in den Armen ihres geliebten Schriftstellers Christian – und nicht etwa ihre Darstellerin. Und wenn es einen postmodernen Filmkomponisten gibt, der souverän die verschiedensten Stile mischt, sich bei der Klassik, Pop, Folklore und Jazz bedient und dadurch ein extrem großes Repertoire an Stilformen und musikalischen Stimmungen zur Verfügung hat, dann ist es dieser schottische Musiker, der für seine Band „Texas“ den Welthit „I don’t want a lover“ schrieb und auf dem Flügel ein Soloalbum mit dem Titel „Piano Works“ einspielte, bei dem er oft in neoromantischer Harmonieseligkeit zu schweben scheint.
Armstrong ist einer jener Musiker, deren Töne man schon oft gehört hat, aber deren Namen kaum jemand kennt. Er arrangierte Streichersätze für Songs von Madonna, U2, für die Pet Shop Boys und vor allem für Massive Attack.
Als Filmmusiker arbeitete er in den 1990er-Jahren mit seinem Freund, dem schottischen Regisseur Peter Mullan zusammen, wurde dann von Baz Luhrmann entdeckt, für den er den Soundtrack zu „Romeo und Julia“ und „Moulin Rouge!“ schrieb, und ist inzwischen mit seinen brillanten Musiken zu „Der stille Amerikaner“ von Philip Noyce und „Ray“ von Taylor Hackford ein in Hollywood vielbeschäftigter Mann: Wann er seinen ersten Oscar bekommt, ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.
In Braunschweig werden im Rahmen einer Hommage seine bekanntesten Arbeiten gezeigt, und in einer „Musik Master Class“, die ein Nachbau der „Leçon de Musique“ des Filmfestivals von Cannes ist, plauderte er eine Stunde lang mit dem Filmjournalisten Dietmar Kanthak über seine Arbeit, kommentierte Sequenzen mit seinen besten Arbeiten und analysierte diese dann sehr informativ am Steinway. So hört man bei der Balkonszene aus „Romeo und Julia“ nur ganz leise ein kleines, sich wiederholendes Motiv der Streicher. „Das war eine meiner schwierigsten Arbeiten, jeder Ton schien da so zu viel zu sein, und so wurde ich immer minimalistischer.“ Dafür ließ er dann, ein wenig wie Vivaldi, die 70 Geiger seines Orchesters ganz leise und unisono diese wenigen Töne anstreichen: „Ich mag es, wenn viele Leute zusammen spielen und dabei kaum zu hören sind.“ Und ja, es ist wirklich dieser Klang, der der Szene in Luhrmanns Verfilmung ihre ganz eigene, undefinierbare Tiefe verleiht.