SICH SCHLÄNGELNDE BEGEISTERUNG: DAS NEUE DEUTSCHE NATIONALTRIKOT

Zeichen sind arbiträr. Fußballtrikots sollen also die Mannschaften im Grunde nur voneinander unterscheidbar machen. Ansonsten sollen sie höchstens noch gut aussehen. Das ist im Grunde schon alles, was sie von sich aus sollen. Die Gefühle, die sie auslösen (und was für Gefühle das sind, Stolz, Hass, Bewunderung, Verachtung, Scham!), sind zum Beispiel etwas, was von außen an sie herangebracht wird. Dies ist allerdings eine Einsicht, die das neue DFB-Trikot nicht hat. Heute wird die deutsche Fußballnationalmannschaft es zum ersten Mal tragen, halten soll es (so ist es geplant) bis zum WM-Endspiel 2006 – und es will erkennbar mehr, als die deutsche Mannschaft nur zu bezeichnen. Es will auch etwas symbolisieren: Hallo, hier ist Deutschland! Und es will von einem bestimmten Deutschland erzählen: Schau her, Welt, hier ist Leichtigkeit, hier ist Offenheit, Verspieltheit, aber auch Beseeltheit und Geist. Das rufen die geschwungenen Seitenlinien, in denen sich die deutschen Farben den Oberkörper hochschlängeln. Dieses Trikot will strahlen! Man soll sich darin von den Flammen der Begeisterung bis zum Sieg tragen lassen können. Aber man will dabei nicht aggressiv aussehen. Und im Fall des Scheiterns will man zumindest eine gute Figur gemacht haben. Keine unbedingt schlechten Dinge, die es symbolisieren soll. Nur dass es überhaupt etwas über Fußball hinaus symbolisieren soll, lässt es gewollt aussehen: so als ob sich Deutschland noch ganz vom DFB repräsentieren ließe. Letztlich: Es ist ja nur ein Stück Stoff. Man wird ihm gerne zujubeln – aber nur, wenn die Mannschaft auch gut spielt! drk
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