: Ein Besucher und zwei Gastgeber in Berlin
Chinas Präsident Hu Jintao besucht Deutschland und trifft eine Bundesregierung, die nicht mehr wirklich an der Macht ist.Im neuen deutsch-chinesischen Dialogforum dominieren auf deutscher Seite Großkonzerne als Vertreter der Zivilgesellschaft
AUS BERLIN SVEN HANSEN
„Unser Präsident hat bei einem Besuch in Berlin gleich zwei deutsche Regierungen getroffen, das spart viel Zeit“, witzelte gestern ein chinesischer Diplomat am Rande des Besuchs von Chinas Staatspräsident Hu Jintao. Am Morgen traf sich Hu, der offiziell Gast des Bundespräsidenten war, mit der designierten Kanzlerin Angela Merkel, mittags mit dem scheidenden Kanzler Gerhard Schröder. Doch die Chinesen, die selbst die Formel „ein Land, zwei Systeme“ in Hongkong praktizieren, nahmen dies scheinbar gelassen.
Hu betonte später, er sei froh, dass die künftige Bundesregierung auf Kontinuität gegenüber China setze. Laut dem CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger, der bei dem Treffen Merkels mit Hu dabei war, werde eine Union-SPD-Regierung die engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen aufrechterhalten und weiter ausbauen, ohne die Menschenrechte auszusparen.
Bereits zuvor hatte Pflüger erklärt, dass es einseitige deutsche Forderungen nach Aufhebung des EU-Waffenembargos, wie sie bisher von Schröder gekommen waren, von einer großen Koalition nicht mehr geben werde. Bei dem Gespräch mit Hu soll das Waffenembargo, dessen Aufhebung Merkel in der Vergangenheit ablehnte, kein Thema gewesen sein.
Die in Sachen China unerfahrene CDU-Chefin – sie war selbst noch nie im Reich der Mitte – äußerte sich nach dem Treffen nicht. Die Chinesen sollen zuvor große Probleme gehabt haben, die amerikafreundliche Merkel außenpolitisch einschätzen zu können, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Hu lud Merkel nach China ein, die sich mit einer Einladung zur Fußball-WM 2006 revanchierte. Die frühere Umweltministerin sprach mit dem gelernten Ingenieur Hu zudem über Energie- und Umweltpolitik. Auch soll sie die Fortsetzung des Rechtsstaatsdialogs und die freiheitliche Entwicklung in China angemahnt haben.
Schröder, der in seiner Amtszeit sechsmal in China war, betonte gestern, dass er eine Aufhebung des Waffenembargos weiter für richtig halte. Die Entscheidung darüber liege aber auf europäischer Ebene. Als Zeichen, dass seine Chinapolitik nicht nur an die Wirtschaft gedacht habe, wertete er die für den Nachmittag geplante Grundsteinlegung des chinesischen Kulturzentrums in Berlin und die für den Abend vorgesehene konstituierende Sitzung des deutsch-chinesischen Dialogforums.
Das Kulturzentrum, das in unmittelbarer Nähe der CDU-Zentrale im Bezirk Tiergarten entstehen soll, ist seit Jahren geplant. Bisher scheiterte der Bau dieses Pendants zum Goethe-Institut in Peking an Statusfragen, die erst kürzlich geklärt werden konnten. Die Eröffnung ist für 2007 geplant.
Das offiziell regierungsunabhängige Dialogforum besteht aus einem kleinen Kreis hochrangiger Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Bildung, Kultur und Medien. Sie sollen einmal jährlich den Regierungschefs Vorschläge zur bilateralen Zusammenarbeit machen. Von den bisher 20 Teilnehmern pro Seite sind erst 12 nominiert, darunter Siemens-Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer als deutscher Co-Vorsitzender sowie Vertreter von BASF, VW und anderen Konzernen. Da die Presse durch Wirtschaftswoche-Chefredakteur Stefan Baron vertreten ist, beginnt dieses Forum mit einer klaren Wirtschaftsdominanz, zumal der chinesische Kovorsitzende Xu Kuangdi auch Chef des dortigen Industrieverbandes ist.
Beim Treffen mit Wirtschaftsvertretern am Donnerstagabend hielt Hu seine einzig längere öffentliche Rede. Darin bot er an, die Zusammenarbeit auch auf den Dienstleistungsbereich auszudehnen. Zuvor waren Wirtschaftsverträge von rund einer Milliarde Euro unterzeichnet worden.
Begleitet wurde der Besuch, der am Wochenende in Düsseldorf und Dortmund endet, von Protesten. Chinas Botschaft sorgte ihrerseits dafür, dass Hu nur fähnchenschwingende Jubelchinesen zu sehen bekam.
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