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Archiv-Artikel

Für Schweine kommen schwarze Zeiten

Wende der Agrarwende: Künftig wird wieder mehr Steuergeld in die industrielle Fleischproduktion fließen

BERLIN taz ■ Das will kaum jemand. Aber „künftig werden wieder mehr Schweine auf Beton leben“, sagt Thomas Dosch vom Anbauverband Bioland. Dabei suhlen sich Schweine am liebsten auf Stroh. Und besonders ärgerlich aus Doschs Sicht: Die wenig artgerechte Haltung soll mit Steuergeldern finanziert werden.

Im vorläufigen schwarz-roten Koalitionspapier liest sich das zwar anders: „Wir werden uns für hohe Tierschutzstandards einsetzen.“ Doch Lutz Ribbe, Agrarexperte bei der Stiftung Europäische Naturerbe, erklärt, Bund und Länder hätten eine „Arbeitsteilung“: Die Länderminister, egal welcher Couleur, leiteten die Wende der Agrarwende ein. Die künftige Bundesregierung übe sich derweil in „butterweicher“ Rhetorik.

Tatsächlich versuchen Union und SPD, die Städter nicht zu vergrätzen. Diese wollen Essen von glücklichen Tieren. So kommt es in der Koalitionsvereinbarung zu Formulierungen wie: „Am Verbot der Käfighaltung von Legehennen halten wir fest.“ Dann heißt es allerdings: „Wir wollen den Tierhaltern artgerechte Haltungsformen parallel zur Boden- und Freilandhaltung ermöglichen.“ Das kann auch die Voliere sein, die aus Sicht der Tierschützer immer noch zu klein für die Hennen ist.

Kurz nach der BSE-Krise vor fünf Jahren hatten noch alle Politiker vom Umsteuern in der Landwirtschaft geredet. Dieselben Personen wollten nun aber zurück zum Agrobusiness, sagt auch Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft. Hebel sind die Länder: Sie bestimmen mit, wie die Bundesmittel für Agrarinvestitionen verteilt werden. Und Schleswig-Holstein hat bereits beschlossen, nur noch große Ställe ab 50.000 Euro zu fördern. Wer seinen Hofladen ausbauen will, bekommt hingegen kein Geld. Über solche Regelungen denken laut Jasper die meisten Bundesländer nach. Alle Betriebe, die ihr Rindfleisch oder ihre Eier in der Region verkaufen, würden benachteiligt. Dabei gebe es allein in Bayern 5.000 solcher Direktvermarkter.

Die großen Landwirte sollen die Geldsummen zudem einstreichen können, ohne auf Umwelt- oder Tierschutz achten zu müssen. Bisher gibt es Auflagen, die die Massentierhaltung etwas einschränken. So fließen die Mittel zum Beispiel nur, wenn der Hof einen Hektar Fläche je zwei Kühen oder 14 Schweinen nachweisen kann.

Für Investoren dürfte es sich künftig also auszahlen, in Deutschland Schweinemastanlagen zu bauen. Ein Niederländer plant im brandenburgischen Dorf Haßleben bereits eine Riesenstall – für 85.000 Schweine. Diese Woche wurde der Industrielle allerdings erst mal gestoppt: Es müsse ein Wohin-mit-der-Gülle-Plan her, monierte das Landesumweltamt.

HANNA GERSMANN