40 Jahre Kaufhaus-Brand: Die Zeugung der RAF

Am 3. April 1968 wollten Baader & Ensslin zwei Frankfurter Kaufhäuser brennen lassen. Begann damit die Geschichte der RAF?

Proll, Söhnlein, Baader und Gudrun Ensslin 1968 bei der Urteilsverkündung im Brandstifter-Prozess. Bild: ap

In der Nacht auf den 3. April 1968 machte ein Quartett in der Frankfurter City wahr, was zuvor in Berlin die Kommune 1 in Flugblättern propagierte. Den Brand eines Kaufhauses in Brüssel, bei dem mehr als 250 Menschen ums Leben kamen, nahmen die Kommunarden zum Anlass, das Leid der Betroffenen auf surrealistisch-provokative Weise mit einer Kritik am damaligen Vietnamkrieg und an der Konsumgesellschaft zu verbinden. "Warum brennst Du, Konsument?" stand auf dem Flugblatt. Weiter hieß es in dem für die Kommune um Fritz Teufel und Rainer Langhans typischen Sprech: "Ein brennendes Kaufhaus mit brennenden Menschen vermittelte zum ersten Mal in einer europäischen Großstadt jenes knisternde Vietnamgefühl (dabeizusein und mitzuverbrennen), das wir in Berlin noch missen müssen… Wann brennen die Berliner Kaufhäuser?"

Andreas Baader und Gudrun Ensslin, die in der Berliner Kommune ein und aus gingen und später zu den Mitbegründern der Roten Armee Fraktion gehörten, beschlossen nach dem sogenannten Brandstifter-Prozess (der mit einem Freispruch für Langhans und Teufel endete), den Worten Taten folgen zu lassen. Gemeinsam mit ihren Freunden Thorwald Proll aus Berlin und Horst Söhnlein aus München fuhren sie nach Frankfurt - im Gepäck Brandsätze aus mit Benzin gefüllten Kunststoffflaschen, selbst gemischtem Sprengstoff und Zündern aus Batterien und Reiseweckern. Im Kaufhaus Schneider und im Kaufhof an der Frankfurter Einkaufsstraße Zeil deponierten sie die Brandsätze, einen davon auf einem Schrank in der Damenoberbekleidungs-Abteilung.

Die Zeitzünder waren auf Mitternacht gestellt. Zu dieser Zeit ging auch ein Anruf bei der Deutschen Presseagentur ein: "Gleich brennts bei Schneider und im Kaufhof." Im Prinzip misslang die Aktion aber. Die Feuerwehr konnte die Brände innerhalb kürzester Zeit löschen, der Sachschaden - rund 600.000 DM, der von den Versicherungen übernommen wurde - entstand hauptsächlich durch das Löschwasser. Auch die mutmaßlichen Täter waren schnell gefasst. Bereits am 3. April erhielt die Frankfurter Polizei einen konkreten Hinweis, nahm das Quartett um Baader und Ensslin fest. Wer die Brandsätze im einzelnen gelegt hatte, konnte allerdings auch im späteren Prozess nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Das vergleichsweise harte Urteil für die Kaufhausbrandstifter lautete: je drei Jahre Zuchthaus. Und das, obwohl der Vorsitzende Richter den Beschuldigten "eine gewisse politische Motivation" zugestand. Die Brandstifter waren Ikonen der damaligen Studentenbewegung. Nach einer Konferenz des SDS in Frankfurt besuchten Daniel Cohn-Bendit und andere den Prozess, unterbrachen den Richter und forderten die Übergabe der vier Angeklagten an ein Studentengericht. Cohn-Bendits Begründung: "Sie gehören zu uns."

Die Frankfurter Brandstiftung wird oft als Initial zur Gründung der Roten Armee Fraktion gesehen. Zu Unrecht, sagte zuletzt Thorwald Proll in einem langen Gespräch, das er 2003 mit dem Schriftsteller und Journalisten Daniel Dubbe führte. "Wir hatten bei allen Aktionen immer zwei Motive. Das eine war die verbrecherische Verflechtung der Amerikaner in den Vietnamkrieg… das andere war die Aufforderung zur Konsumverweigerung." Als im November 1969 eine Revision der Urteile verworfen wurde, tauchten Baader, Ensslin und Proll in Paris unter, nur Söhnlein trat seine Haftstrafe an. Am 4. April 1970 geriet dann Andreas Baader in Westberlin in eine Verkehrskontrolle und wurde verhaftet. Seine gewaltsame Befreiung am 14. April gilt als Geburtsstunde der RAF.

WOLFGANG GAST

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