: Rezept mit riskanten Nebenwirkungen
Union und SPD einigen sich auf Lockerung des Kündigungsschutzes. Die Mobilität könnte dadurch abnehmen
BERLIN taz ■ Obwohl es zuletzt noch ein Hin und Her gab, hat sich am Ende doch die Union durchgesetzt: Der Kündigungsschutz wird gelockert, so das gestrige Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. Für Neueingestellte gilt demnächst also erst mal eine zweijährige „Probezeit“– erst danach kommen sie in den Genuss des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der in allen Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten greift.
Ob die Verlängerung der Probezeit von derzeit einem halben Jahr auf zwei Jahre aber den Arbeitsmarkt belebt, wie die Union glaubt, darüber sind die Sozialforscher höchst unterschiedlicher Meinung. Die geplante Aufweichung des Kündigungsschutzes könnte nämlich in der Tat neue Probleme auf dem Arbeitsmarkt schaffen und die beabsichtigte Wirkung „in ihr Gegenteil“ umschlagen lassen. Zu diesem Schluss kommt der Arbeitsmarktforscher Matthias Knuth, wissenschaftlicher Geschäftsführer am Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen.
Durch die Lockerung des Kündigungsschutzes käme es nämlich zu einer Polarisierung zwischen „Insidern“ und „Outsidern“, so Knuth. Frauen etwa sind von der Aufweichung besonders betroffen, auch weil sie öfter wechselnde geringfügige Beschäftigungsverhältnisse haben und öfter als Männer einen Job aufgeben, aber auch wieder neu beginnen.
Arbeitnehmer würden zudem künftig den Betriebswechsel scheuen, weil sie ihren Kündigungsschutz damit aufgeben und eine neue, zweijährige Probezeit beginnen müssten. Im Ergebnis werde die viel beschworene Mobilität der Arbeitnehmer leiden, denn die freiwillige Mobilität sei für den Austausch am Arbeitsmarkt bedeutsamer als die erzwungene, etwa durch Entlassungen, so Knuth.
In Deutschland wird gut ein Viertel der Beschäftigungsverhältnisse aufgegeben oder neu eingegangen, die Hälfte aller neu begonnenen Beschäftigungsverhältnisse ist nach gut einem Jahr schon wieder beendet. Der deutsche Arbeitsmarkt könne es hinsichtlich seiner Bewegungsdynamik durchaus mit Ländern wie Dänemark, USA oder Großbritannien aufnehmen, so Knuth. Strengere Regelungen gibt es etwa in Frankreich und Spanien. BD