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Archiv-Artikel

Löcher im Netz

VON BARBARA DRIBBUSCH

Satte 4 Milliarden Euro will die Bundesregierung bei den Empfängern von Arbeitslosengeld II sparen- dagegen nehmen sich die 220 Millionen Euro, die für die Angleichung des Arbeitslosengeldes II im Osten an Westniveau laut Beschluß von Union und SPD fällig werden, recht bescheiden aus. Durch die geplanten Einsparungen bei Hartz IV und die Nullrunden bei den RentnerInnen werden in Zukunft noch mehr Menschen allein mit der staatlich garantierten Grundsicherung auskommen müssen.

Beim Arbeitslosengeld II will die Regierung unter anderem dadurch kürzen, dass die Beiträge, die die Bundesagentur für Arbeit für jeden Langzeitarbeitslosen an die Rentenkassen überweist, gekappt werden. Bis zu 4 Milliarden Euro könnte die Bundesregierung dadurch einsparen – dieses Geld fehlte nicht nur der Rentenversicherung, sondern reduzierte die Rentenansprüche von Menschen, die erwerbslos werden.

Wer jenseits der 50 seinen Job verliert, läuft damit noch stärker Gefahr, die Zeit bis zum Ruhestand mit Arbeitslosengeld II überbrücken zu müssen, um dann in den Genuss einer nur kleinen Rente zu kommen. Unterschreitet das Ruhestandsgeld die Höhe des Arbeitslosengelds II, so wird es entsprechend aufgestockt – wiederum auf Höhe der so genannten Grundsicherung im Alter, die auf gleicher Höhe liegt wie die Grundsicherung für Arbeitssuchende, das ALG II. Für einen Alleinstehenden gibt es monatlich 345 Euro (Osten: 331 Euro) plus Unterkunft. Die Höhe dieser Grundsicherung wird damit noch mehr als bisher zum Maßstab für den Lebensstandard von Millionen Menschen.

Die Sachlage wird nicht einfacher dadurch, dass Union und SPD erwägen, künftig für Langzeitarbeitslose den möglichst frühen Rentenbeginn, auch mit Abschlägen, zwingend zu machen. Dann müssten Empfänger von Arbeitslosengeld II schon mit Erreichen des 60. Lebensjahrs in den Rentenbezug wechseln, obwohl sie dann ein um 18 Prozent gekürztes Ruhestandsgeld bekommen. Wie von der Deutschen Rentenversicherung Bund (ex BfA) zu erfahren war, träfe das vor allem Leute mit eher niedrigen Einkommen in ihrer Berufsbiografie.

Auch die Tatsache, dass das Renteneinstiegsalter von 2012 an schrittweise angehoben wird, dürfte noch mehr Leute von staatlicher Grundsicherung abhängig machen. Wer 1970 geboren wurde und heute kräftig Beiträge einzahlt, darf erst mit 67 Jahren in Rente gehen. Bei früherem Eintritt drohen Abschläge – und diese wiederum führen dann zu Kleinrenten, die staatlich aufgestockt werden müssen, siehe oben.

Wenn die Grundsicherung für so viele Menschen zum Maßstab wird, dann stellt sich die Frage, wie sich dieses staatlich garantierte „Existenzminimum“ künftig entwickelt. Laut Gesetz darf die Grundsicherung derzeit prozentual immer nur so stark steigen wie der Rentenwert. Müssen die RentnerInnen in den nächsten vier Jahren Nullrunden hinnehmen, wird auch die Grundsicherung für Arbeitssuchende beziehungsweise für Ältere eingefroren – was bei einer Preissteigerungsrate von 2 Prozent pro Jahr einen Verlust von 8 Prozent der Kaufkraft und damit weitere Verarmung bedeutet.

Durch diese Koppelung aber werden zwei Systeme miteinander verknüpft, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben sollten: die Renten als beitragsfinanzierte Leistung und die Grundsicherung als eine bedarfsorientierte Sozialleistung, die ein „Existenzminimum“ garantierten soll. Um die Höhe dieses Existenzminimums dürfte es also in den kommenden Jahren noch politischen Streit geben – in den aktuellen Koalitionsverhandlungen wurde das Thema ausgespart.