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Archiv-Artikel

Herkunft? Egal!

GRIPS THEATER Die Komödie „Kebab Connection“ erzählt, wie aus einem coolen Kiffer ein verantwortungsvoller Vater wird

Die Inszenierung ist der Versuch, die erfolgreiche Filmkomödie eins zu eins auf die Theaterbühne zu bringen, von den Actionszenen bis zu den schnellen Schnitten

VON LEA STREISAND

Ibo ist Anfang 20 und will Regisseur werden, seine Freundin Titzi Schauspielerin. Außerdem ist sie schwanger. „Hast du schon mal einen Türken gesehen, der einen Kinderwagen schiebt?“, fragt Titzis geschiedene Mutter. Ibos Vater Mehmet verstößt seinen Sohn sogar, weil Titzi (Nina Reithmeier) eine Deutsche ist. Und Titzi ist kurz davor, Ibo (Robert Neumann) in die Wüste zu schicken, wenn er nicht endlich erwachsen wird und Verantwortung übernimmt. „Sei mein Fels!“, sagt Titzi.

„Kebab Connection“ wäre keine Komödie, wenn der Protagonist diese Mammutaufgabe nicht bewältigen würde. Nach vielen Verwicklungen ist das Baby da, Titzi darf auf die Schauspielschule, Ibo hat einen Produzenten gefunden und nimmt ein Babyjahr. Geheiratet wird auch. Mit großer interfamiliärer und interkultureller Versöhnung.

Die fünf Drehbuchschreiber (darunter Fatih Akin) um den Regisseur Anno Saul haben vor knapp zehn Jahren das Drehbuch zu der rasanten Culture-Clash-Komödie „Kebab Connection“ geschrieben. Nun hat Saul das Drehbuch für die Bühne des Grips Theaters adaptiert und aufbereitet; am Samstag war Uraufführung.

Ein bisschen Gentrifizierung ist im Vergleich zum Film dazugekommen. „Ohne dich kann ich doch die Miete nicht zahlen“, sagt Titzi, als ihre Mitbewohnerin von Auszug redet. Außerdem wird als Seitenhieb auf das Bionade-Biedermeier ein Liedchen gepfiffen auf „selbst gefertigten Instrumenten aus regionaler Karotte“. Ansonsten ist die Inszenierung der Versuch, die erfolgreiche Filmkomödie eins zu eins auf die Theaterbühne zu bringen, von den Actionszenen bis zu den schnellen Schnitten. Die Choreografien (Thomas Schubert) sind super. Ibo hat nämlich den Traum, den ersten deutschen Kung-Fu-Film zu drehen. Die Werbespots, die er für die Dönerbude seines Onkels dreht, geraten zu Genrefilmen, die ihn im Kiez berühmt machen.

Im Film von 2004 sieht der Zuschauer an dieser Stelle perfekt inszenierte Kung-Fu- und Mafiosi-Kurzfilme, mit Zeitlupe, Martial Arts und Special Effects. Auf der Bühne wird die Zeitlupe durch „unsichtbare“ Helfer in schwarzen Ganzkörperkostümen möglich gemacht. Sie heben die Spieler hoch und lassen sie schweben oder langsam zu Boden gehen. Die Kugeln einer Schießerei sind die silbernen Fingerkuppen eines „Unsichtbaren“, der durch den Raum läuft.

Etwas gewollt wirken leider gerade einige der im Film komischsten Szenen. Es ist, als wollte Anno Saul auf der Bühne noch eins draufsetzen. So wird viel von der Komik durch ein Zuviel an Betonung erschlagen.

Eine der schönsten Szenen des Films ist, wie Ibo und sein Kumpel durch eine Verwechslung mit dem schreienden Baby in einem Kinderwagen konfrontiert werden. „Wie macht man das leiser, Mann?“, fragt Ibo hilflos. Als ihm klar wird, dass es sich bei einem Kind um einen Menschen handelt, versucht er es mit derselben Strategie, die bei aufgebrachten Leuten seines Alters den gewünschten Effekt erzielt. Mit der professionellen Distanz des geübten Streitschlichters senkt er die Stimme, macht eine abschwächende Handbewegung und murmelt: „Schsch! Ey, Kumpel, komm mal wieder runter!“

Genau das möchte man den Darstellern mitunter auch zurufen. Denn für die Darstellung cooler Typen, die die Jungsfiguren in dem Stück allesamt sind, braucht es neben den eingeübten Posen und Gesten vor allem Ruhe und Zurückhaltung im Spiel. Und eine stete Distanz zur eigenen Rolle.

Man könnte meinen, dass Anno Saul den Mechanismen des Theaters nicht recht vertraut. Manches wirkt so überspitzt, dass es vom Komischen ins Lächerliche kippt. Die vielen Szenenwechsel, die dem Film Schnelligkeit verleihen, bringen auf der Bühne vor allem Unruhe. Vielleicht ist dieses Zuviel den vermeintlichen Ansprüchen des Jugendtheaters geschuldet. Aber muss denn jede Szene mit Musik untermalt sein, damit die Zuschauer auch begreifen, welche Stimmung gerade gefordert ist? Vielleicht wäre hier mehr Vertrauen in den Text angebracht und in die starke Geschichte einer jungen Liebe, die vor der Herausforderung steht, plötzlich erwachsen werden zu müssen.

„Kebab Connection“ erzählt, wie aus einem coolen Kiffer ein verantwortungsvoller Vater wird. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern scheinen dabei mehr Konfliktpotenzial zu beinhalten als die zwischen den Kulturen: Während die Elterngeneration dieser jungen Erwachsenen sich um ihre kulturelle Identität Sorgen macht, spielt die Frage nach der Herkunft für die Jungen keine Rolle mehr.

■ „Kebab Connection“ im Grips am Hansaplatz. Nächste Vorstellungen 4., 5., 15., 16. Februar (alle ausverkauft), 14., 15., 16. März