Kroatiens Erfolgstrainer Slaven Bilic: "Weil wir an Gott glauben"

Er spielt Hardrock, glaubt an Gott und trainiert die Kroaten. Der HSV warb ihn um, nun weiß man warum: Nach dem Sieg gegen Polen zieht sein Team mit 9 Punkten ins Viertelfinale.

Heftige Gesten im übergroßen Jacket: Kroatiens Trainer Slaven Bilic. Bild: reuters

KLAGENFURT taz Es war ein seltsames Treffen der Generationen in Klagenfurt. Die Hauptdarsteller: Slaven Bilic, 39 Jahre alt, Trainer Kroatiens, der jüngste Coach der EM, selbstbewusst, voller Hoffnung, der Architekt eines beeindruckenden Teams. Und Leo Beenhakker, 65, Trainer Polens, Vertreter der Altvorderen, enttäuscht, zornig, ratlos.

Wer die beiden am Montagabend an der Seitenlinie beobachtete, der konnte erahnen, wem die Zukunft gehört: Bilic schritt auf und ab, schrie, gestikulierte, grinste. Beenhakker stand starr neben der Bank, die Arme vor der Brust verschränkt, wie gefroren, sein Blick war leer. Gründe dafür hatte er genug. Polen verlor 0:1, beendete Gruppe B als Letzter, mit einem Punkt, mühsam errungen gegen Österreich. Die Kroaten feierten den dritten Sieg im dritten Spiel, sie sind aufgestiegen zu einem Favoriten des Turniers. Bilic, der Held; Beenhakker, der Verlierer.

Wenige Minuten lagen zwischen ihren Auftritten auf der Pressekonferenz, die wie eine imaginäre Staffelübergabe anmutete. Bilic eröffnete, gemeinsam mit seinem Stürmer Ivan Klasnic, der das Tor des Abends erzielt hatte (53.) und sich im Langzeitgedächtnis des Weltfußballs verewigen durfte, als der erste EM-Schütze mit Spenderniere. Bilic kleidete seinen Stolz in blumige Worte: "Das ist keine Kleinigkeit, sondern ein großer Wurf. Drei Siege, das haben nicht viele geschafft."

Der Erfolg ist umso erstaunlicher, da er seine Reservisten hatte auflaufen lassen, Kroatien war als Gruppensieger bereits für das Viertelfinale qualifiziert gewesen. Lediglich der Schalker Ivan Rakitic und Danijel Pranjic vom SC Heerenveen waren aus der Starformation gegen Deutschland (2:1) übrig geblieben. Sogar Torhüter Stipe Pletikosa musste seinem Vertreter Vedran Runje weichen.

Bilic aber wollte nicht von einem B-Team sprechen. "Alle spielen auf einem hohen Niveau." Dann wurde er patriotisch, mit Blick auf das Viertelfinale gegen die Türkei am Freitag in Wien: "Es war der Sieg einer großen kroatischen Mannschaft, nicht die Blamage eines polnischen Teams. Wir verdienen Glück, weil wir an unser Team und an Gott glauben. Wir können jeden schlagen."

Bilic, der einstige Verteidiger mit Vorliebe für rustikale Grätschen, aktuelles Mitglied einer Hardrockband, beugte sich nach vorn, er wollte keinen Zweifel aufkommen lassen – das gelang ihm genauso gut wie Motivation und taktische Einstellung einer spielstarken und disziplinierten Mannschaft. Es ist keine Überraschung, dass der Hamburger SV so lange um seine Dienste geworben hat. Allerdings vergeblich.

Zwei Generationen: Beenhakker und Bilic. Bild: ap

Ähnliche Geschichten konnte Leo Beenhakker nicht erzählen. Er umklammerte mit seiner rechten Hand den Kopfhörer, mit dessen Hilfe er den Dolmetscher vernehmen konnte. Ein polnischer Journalist wollte wissen, ob er sich im Klaren darüber sei, was nun auf ihn zu kommen werde, nämlich die "polnische Hölle", das Fallbeil der Medien.

Beenhakker ließ die Frage nicht zu Ende stellen, er antwortete sofort: "Diese Hölle gibt es nicht nur in Polen, sie ist Teil unseres Jobs, überall." Er verwies auf Trainerdiskussionen um Raimond Domenech in Frankreich oder Roberto Donadoni in Italien, und er schickte einen Gruß an die Presse: "Vielen von euch machen diese Diskussionen doch Spaß." Beenhakker war in diesem Moment der Gegenentwurf zu Bilic. Er wusste, dass seine Leitfiguren wie Jacek Krzynowek oder Ebi Smolarek wieder einmal enttäuschten, doch eine Erklärung hatte er nicht.

Ergebnis: 0:1 (0:0)

Polen: Boruc - Wasilewski, Zewlakow, Dudka, Wawrzyniak - Murawski, Lewandowski (46. Kokoszka) - Lobodzinski (55. Smolarek), Guerreiro, Krzynowek - Saganowski (69. Zahorski)

Kroatien: Runje - Simic, Vejic, Knezevic (27. Corluka), Pranjic - Leko, Vukojevic, Pokrivac, Rakitic - Klasnic (74. Kalinic), Petric (75. Kranjcar)

Schiedsrichter: Vassaras (Griechenland)

Zuschauer: 30.461 (ausverkauft)

Tor: 0:1 Klasnic (53.)

Gelbe Karten: Zahorski, Lewandowski / Vejic, Vukojevic

Beste Spieler: Boruc / Klasnic, Rakitic, Pranjic

Die polnischen Medien werden sich intensiv der Trainerfrage widmen. Beenhakker, der seinen Vertrag bis Ende 2009 erfüllen möchte, wurde schon nach dem 1:1 gegen Österreich heftig kritisiert. "Ich liebe meinen Job", hatte er gesagt. "Aber wenn die Verantwortlichen der Meinung sind, Janusz Wojcik sei die bessere Wahl, dann muss ich das so hinnehmen."

Wojcik gilt als der führende Kandidat für die Nachfolge des Niederländers. Er gewann 1992 die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Barcelona. Zurzeit trainiert er Widzew Lodz. Mitte der neunziger Jahre hatte er schon einmal Polens Nationalelf betreut, ohne Erfolg. Verbandspräsident Michal Listkiewicz dementierte schnell, er hoffe sogar, Beenhakker würde Polen zur WM 2010 nach Südafrika führen.

Listkiewicz gilt nicht als der seriöseste Funktionär, unter ihm ist der Fußballverband im Sumpf der Korruption versunken. Ob er jemals wieder einen Trainer verpflichten kann, der so weit herumgekommen ist wie Leo Beenhakker? Er wurde Meister mit Real Madrid, Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam, er trainierte in Saudi-Arabien, Mexiko, in der Schweiz und in der Türkei. Vor zwei Jahren führte er den kleinen Inselstaat Trinidad und Tobago zur WM. Es liegt die Vermutung nahe, Beenhakker könnte sogar eine Auswahl gut gepflegter Staubsauger zu einem großen Turnier führen. Diesen Ruf muss sich Slaven Bilic, der Gewinner des Abends, erstmal erarbeiten.

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