: Politik soll Spitzel-Vorwürfe klären
Noch 1998 soll der Bundesnachrichtendienst Schnüffler in Redaktionen eingeschleust haben. „Ein Skandal“, sagt der Grüne Beck – und fordert Aufklärung im Bundestag
BERLIN dpa/ap/afp ■ Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat offenbar Journalisten noch länger und umfassender bespitzelt als bisher bekannt. In den Jahren 1997 und 1998 habe der deutsche Auslandsnachrichtendienst mindestens zwei Informanten in der Medienbranche eingesetzt, berichtete der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. BND-Chef August Hanning hatte am Donnerstag lediglich bestätigt, dass der Bundesnachrichtendienst 1993 und 1994 Journalisten bespitzelt habe, um undichte Stellen im eigenen Apparat aufzudecken.
Dem Bericht nach war der Spiegel selbst Ende der 90er-Jahre Ziel der BND-Aktivitäten. Der BND habe ermitteln wollen, über welche Quellen das Magazin bei der Aufdeckung des Plutoniumskandals 1995 verfügte. Der Informant habe aber auch Details über Geschichten geliefert, an denen der BND nicht beteiligt gewesen sei. Die Quellen seien erst nach einem Erlass des damaligen BND-Präsidenten Hansjörg Geiger abgeschaltet worden.
Die Vorwürfe sollen nun untersucht werden: Die Rolle des damaligen Geheimdienstkoordinators im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), müsse geklärt werden, sagte am Sonntag Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion. „Wer einen solchen Skandal zu verantworten hat, darf mit solch einer Verantwortung nicht betraut werden.“ Die Bundesregierung müsse dem Bundestag über die rechtlichen und tatsächlichen Umstände des Falls berichten. Parlament und Öffentlichkeit hätten Anspruch auf „umfassende Aufklärung“.
Beck warf dem BND vor, er habe seine Kompetenzen doppelt überschritten: Er hätte keine Journalisten überwachen dürfen und sei zweitens grundsätzlich nicht zu geheimdienstlicher Tätigkeit im Inland befugt.
Der Chef des Bundeskanzleramtes, Frank-Walter Steinmeier, forderte den BND-Präsidenten August Hanning auf, bis Ende nächster Woche einen Zwischenbericht über die Vorgänge seit 1993 vorzulegen.
Der BND-Präsident steht zudem derzeit gleich mehrfach in der Kritik. Am Wochenende sah er sich mit einem Bericht des Focus konfrontiert. Danach soll er vergangene Woche wider besseres Wissen gesagt haben, er kenne die Vorwürfe gegen den BND erst seit ein paar Tagen und habe daher zuvor keine Medienanfragen beantworten können. Hanning widerspricht der Darstellung. Tatsächlich sei er bereits Ende Juli im Urlaub von einem Mitarbeiter telefonisch informiert worden, dass 1993 und 1994 Journalisten observiert worden seien. Er habe den Auftrag erteilt, den Vorgang aufzuklären. So habe sich der Publizist Erich Schmidt-Eenboom Ende Juni an den BND gewandt. Ein Beamter teilte ihm mit, dass sein Büro in der Tat 1994 mit Videokameras überwacht worden sei.