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Archiv-Artikel

Das Ausländer-Raus-Amt

Der Landkreis Peine schiebt ab, ungeachtet der Lebensumstände der Menschen. Dieses Mal hilft es einem Familienvater aus dem Kosovo wenig, dass er Arbeit hat und seine Kinder integriert sind

von Reimar Paul

Gäbe es einen Preis für die ruppigste Ausländerbehörde in Niedersachsen, so wüsste Kai Weber schon einen Kandidaten. „Die Auszeichnung hätte in diesem Jahr sicher der Landkreis Peine verdient“, sagt der Geschäftsführer des Niedersächsischen Flüchtlingsrates.

Derzeit will der Kreis die seit sechs Jahren geduldete und gut in die Gesellschaft integrierte Flüchtlingsfamilie Berisha in das Kosovo abschieben. Dabei könnte die Familie nach Ansicht Webers „mit großer Wahrscheinlichkeit“ von einer Bleiberechtsregelung profitieren, über welche die Innenminister von Bund und Ländern Anfang Dezember beraten wollen. Dem Vorschlag von Nordrhein-Westfalen, langjährig geduldeten Flüchtlingen ein Bleiberecht in Deutschland zu gewähren, räumen Experten durchaus Chancen ein. Schließlich habe sich erstmals ein von der CDU regiertes Bundesland diese Forderung zu Eigen gemacht.

Die Ausländerbehörde in Peine weigert sich jedoch, die Abschiebung auch nur um drei Wochen zu verschieben und damit die Entscheidung der Innenministerkonferenz abzuwarten. Die Abschiebung ist für den 17. November festgesetzt, bestätigt der Landkreis. In einem der taz vorliegenden Schreiben der Behörde an Familienvater Hasan Berisha heißt es, die Familie müsse sich bereits „am Vorabend des Rückführungstages bereithalten, da die Abholung in den Nachtstunden erfolgen wird“. Gleichzeitig droht der Landkreis vorsorglich „Sicherungshaft“ an, falls die Familie zum angekündigten Abschiebetermin nicht zu Hause angetroffen werde. Keine Hilfe ist vom Land Niedersachsen zu erwarten: Das könnte den Landkreis zur Duldung der Familie anweisen, doch ein allgemeines Bleiberecht für so genannte „Altfälle“ lehnt die Regierung in Hannover bekanntlich ab.

Dabei würde eine weitere Duldung den Landkreis Peine noch nicht einmal etwas kosten, argumentiert Kai Weber vom Flüchtlingsrat. Hasan Berisha arbeite seit viereinhalb Jahren als Kfz-Mechaniker und finanziere so den Lebensunterhalt für seine Familie. Beide Eltern sprächen gut Deutsch. Die gemeinsamen Kinder gingen zur Schule und kickten im örtlichen Fußballverein. „Dennoch soll die mustergültig integrierte Familie nach über sechsjährigem Aufenthalt jetzt ganz aus Deutschland vertrieben werden“, kritisiert der Flüchtlingsrat.

Die Begründung des Landkreises, er sei rechtlich zur sofortigen Abschiebung verpflichtet, ist nach Ansicht des Flüchtlingsrates völlig unhaltbar. Eine Abschiebung der Familie Berisha zum jetzigen Zeitpunkt wäre unverhältnismäßig und müsse deshalb unterbleiben. Außerdem habe der Landkreis entgegen eindeutigen Auflagen ärztliche Befunde über die durch den Krieg im Kosovo entstandene Traumatisierung der Ehefrau nicht an die UN-Verwaltung im Kosovo weitergegeben und die Familie als „gesund“ gemeldet. Auch die Zerstörung der Wohnung und der Autowerkstatt der zur Volksgruppe der Aschkali gehörenden Familie im Kosovo durch nationalistische Albaner sei unerwähnt geblieben.

Flüchtlinge und ihre Unterstützer hatten schon früher die ihrer Ansicht nach „inhumane“ Abschiebepraxis des Landkreises Peine kritisiert. Im vergangenen Dezember war eine vietnamesische Familie aus Kirchenräumen in Peine zur Abschiebung abgeholt worden. Polizisten nahmen damals in einem evangelischen Gemeindehaus die Eltern und ihr zehnjähriges autistisches Kind fest und schoben sie nach Vietnam ab. Zur Rechtfertigung erklärte der Kreis damals, es habe sich gar nicht um sakrale Räume und somit um kein Kirchenasyl gehandelt. Kurz zuvor hatte der Landkreis Peine einem kurdischen Ehepaar mit Verweis auf die Residenzpflicht den Besuch eines christlichen Gottesdienstes untersagt.