„Palu geht, ich gehe auch“

Nach dem ARD-„Tatort“ vom Sonntag herrscht Irritation: Was war denn das? Darsteller Jochen Senf über den Plot: „Ich erzähle auf Palu-Ebene, was der Saarländische Rundfunk mit mir angestellt hat“

VON PETER UNFRIED

In der langen Geschichte der Qualitätsfernsehsendung „Tatort“ dürfte eine Folge selten so viel Irritation ausgelöst haben wie jene vom vergangenen Sonntag. Die Geschichte hieß „Rache-Engel“, kam vom Saarländischen Rundfunk, war der Abschied des lang gedienten Kommissars Max Palu und hinterließ – Ratlosigkeit. Was war denn das?

Vordergründig geht es um die traumatisierte Tochter einer toten Charity-Frau, die ein sexuelles und emotionales Verhältnis zum Adoptivvater plagt, einem bösen Fabrikanten. Aber dann passieren immer seltsamere Dinge: Ein Verdächtiger springt bei einer überflüssigen Flucht in einen Fluss und wird von einem spitzen Stein dahingerafft. Palu trifft seine Tochter zufällig nach zehn Jahren („Mensch Lena, zehn Jahre“). Sie fragt, warum er sich nie gemeldet habe. Palu: „Deine Mutter wollte es nicht.“ Später beendet er etwas überraschend für Zuschauer und Partnerin seine aktuelle Lebensgemeinschaft („Ich dümpel doch nur noch vor mich hin“) und dergleichen Abstrusitäten mehr.

Jochen Senf ist Max Palu

Der „Tatort“ gilt dem Publikum nach einer neuen (ARD-)Untersuchung nicht nur als glaubwürdig und spannend, sondern bekommt als einziger deutscher Krimi das Prädikat „anspruchsvoll“. Diesmal herrschte Rätselraten? War es ein ironisches Spiel mit den schlimmsten Klischees, die ein Krimi-Drehbuch hergibt? Doch dafür ist der arme Palu zu melancholisch. Müde schleichen er und sein Fahrrad durch ein düsteres Post-Lafontaine-Saarbrücken. Ja, er kocht nicht mal mehr.

Den Film einfach nur schlecht zu finden, wie die FAZ, wird der Sache nicht gerecht, so viel steht fest. Auch wer nie Arno Schmidts „Sitara“ über Karl May las, merkt, dass den Hauptdarsteller und Drehbuchverantwortlichen Jochen Senf etwas plagt.

Senf, 1942 in Frankfurt am Main geboren, kam mit zehn Jahren nach Saarbrücken und ist beim SR groß geworden. Seit 1987 definiert er mit Palu den Typus Saarländer für Deutschland. In der letzten Woche hat er sich bitter beklagt über die Art und Weise, wie ihn der Saarländische Rundfunk nach 18 Jahren „knallhart abserviert“ habe. In Person einer „von jeder Kompetenz verschonten Redakteurin“, wie er dem Tagesspiegel sagte. Auch SR-Programmdirektor Hans-Günther Brüske kam bei der Analyse nicht gut weg.

Anruf bei Jochen Senf am Montag. War dieser Film eine kaum verschlüsselte Abrechnung mit den Verantwortlichen beim SR? Oder dem Fernsehen im Allgemeinen, dessen sozialkritische Funktion er von einer ungesunden, affirmativen Nähe zur Werbung abgelöst sieht? Wollte er zum Abschied zeigen, was aus dem Sender geworden ist, der einst „eine wahre Kreativschule“ gewesen sei, während „heute das neoliberale Denken auch das Fernsehen fest im Griff hat“, wie er diagnostizierte?

„Wenn Sie da etwas hineinlesen, ist das Ihr Problem“, sagt er.

Dass der Film nicht zu verstehen sei, dem müsse er „heftigst widersprechen“. Es sei ein „komplizierter Film über Gewalt und eine dissoziierte junge Frau“. Nach einigem Brummen sagt er, dass Palu schon auch „grundsätzlich“ spreche. Zum Beispiel sagt er zum Polizeipräsidenten: „Stecken Sie sich Ihre Papierserviette in den Arsch, Chef!“

Dass der SR-Intendant gemeint ist, mag Senf nicht bestätigen. Was stimmt: „Gemeint ist nicht nur der Polizeipräsident.“ Am Ende des Telefongesprächs sagt er: „Ich erzähle auf Palu-Ebene, was der SR mit mir angestellt hat. Das war Mobbing.“

Am Ende siegt im Tatort der Böse und mobbt Palu auch noch mit dem Ackermann-V, dem unheiligen Segen des Neoliberalismus. Der Kommissar nimmt es hin und sagt zu seinem Assistenten: „Stefan, das war’s.“

So endet Max Palu.

„Er kann das alles nicht verhindern, er hat ein Riesenarschloch als Chef, er geht einfach“, sagt Jochen Senf. Pause. „Ich bin einfach gegangen.“