: Neu: Essen aus der Genküche
Lebensmittel dürfen demnächst Gene enthalten, deren gesundheitliche Wirkung bislang nicht geprüft wurde. Darauf hat sich die rot-schwarze Koalition geeinigt
BERLIN taz ■ Die rot-schwarze Koalition kündigt an, das Gesetz für die Grüne Gentechnik zu überarbeiten. Umweltschützer und Landwirte, die auf Gentechnik verzichten wollen, befürchten jetzt das Schlimmste: „Alle Lebensmittel werden gentechnisch verunreinigt“, warnte die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt. Sie prophezeit, dass künftig mehr Bauern als bisher die Gensaat ausbringen würden. Denn: Für Schäden, die durch Pollenflug auf Nachbarfeldern auftreten, würden die Landwirte künftig nicht mehr hart genug zur Verantwortung gezogen.
Zwei kleine Absätze sind in dem rot-schwarzen Koalitionsvertrag über die Grüne Gentechnik zu finden. Unmissverständlich wird dort klargestellt: Die „Forschung und Anwendung“ der Gentechnologie sollen gefördert werden. Deshalb soll die seit Februar wirksame „verschuldungsunabhängige Haftung“ möglichst schnell wieder gekippt werden. Nach dieser Regelung muss ein durch Gentech-Pollen geschädigter Landwirt nicht erst aufwändig nachweisen, von welchem Acker die Verunreinigung ausgeht. Er kann alle Landwirte in der Nachbarschaft verklagen, die Gentech-Pflanzen anbauen.
Damit werde verhindert, dass sich Bauern überhaupt an Gentech-Pflanzen wagen, lautet die Kritik der Biotechindustrie, des Deutschen Bauernverbandes (DBV) und von führenden Unionspolitikern.
Henning Strodthoff von Greenpeace hält entgegen: „Wenn die Landwirte selbst nicht mehr für ihr Tun verantwortlich gemacht werden, dann lädt es dazu ein, Sicherheitsmaßnahmen nicht einzuhalten.“
Noch ein Punkt steht auf der rot-schwarzen Streichliste: Forscher sollen künftig nicht mehr haftbar sein, wenn von ihren Freisetzungsfeldern Gentech-Pollen in die Nachbarschaft gelangen. Hier habe die Haftung dazu geführt, dass immer mehr Projekte ins Ausland verlagert würden, erklärt der Geschäftsführer der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), Ricardo Gent.
Auf seiner Wunschliste steht daher schon lange, dass die von Forschungsfeldern ausgehenden Verunreinigungen nicht unter das Gentechnikgesetz fallen. Bisher ist es streng verboten, Produkte zu vermarkten, die mit einem nicht für den Handel zugelassenen Genkonstrukt auch nur leicht verunreinigt sind. Dadurch werde aber notwendige Forschung verhindert, klagt der DIB-Geschäftsführer.
Rot-Schwarz will die Begriffe „Freisetzung“ und „Inverkehrbringung“ nun neu definieren. Dann dürften – ganz legal – Gentech-Verunreinigungen auf den Teller kommen, die keine Marktzulassung haben und niemals zuvor auf ihre gesundheitlichen Wirkungen überprüft worden sind. Selbst biologisch hoch wirksame Gene aus neuen Pharmapflanzen dürften ins Essen gelangen. WOLFGANG LÖHR