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Archiv-Artikel

Frankenstein und tragische Liebe

FIGURENTHEATER Zwei Wochen lang zeigen die Göttinger Figurentheatertage, dass Puppentheater längst nicht mehr nur etwas für Kinder ist

Mit viel Qualm, Blut und Heavy Metal belebt „Frankenstein“ den Jahrmarktskasper

VON ROBERT MATTHIES

Tief in die theatrale Trickkiste greifen muss man hier meist nicht, damit das Publikum leidenschaftlich am Geschehen teilnimmt und sich einbringt. Weil es schlicht viel zu jung ist, um die obligatorische Rollenverteilung schon gelernt zu haben und die vierte Wand auch als Wand der eigenen Bühne zu bauen. Statt ganz in der Rolle des kulturerfahrenen Erbauungstheater-Besuchers aufzugehen, wird im klassischen Figurentheater noch wirklich um das Leben der Kasperpuppe gefürchtet.

Dabei nimmt sich das zeitgenössische Puppentheater längst nicht nur klassischer Kasperlegeschichten und Kindermärchen an, bringt ernste, literarische Stoffe auf die Bühne und erschließt sich zunehmend wieder ein älteres Publikum. Einen untypischen Stoff bringt etwa das Meerbuscher Figurentheater Seifenblasen am kommenden Sonntag im Rahmen der 28. Göttinger Figurentheatertage auf die Bühne.

„Hannes und Paul“ erzählt in Anlehnung an die in Ovids Metamorphosen geschilderte Sage von Pyramus und Thisbe eine tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus. Im Lateinunterricht bearbeiten Hannes und Paul die Sage als Theaterstück. Und stellen dabei fest, dass sie mehr als nur Freundschaft füreinander empfinden. Doch wenn der Vorhang aufgeht, sind beide längst tot, tragische Opfer einer Liebe, die nicht sein darf. Erzählt wird ihre Geschichte in Rückblenden von Hannes’ Mutter, die ein Kästchen mit Erinnerungen findet, als sie ihre Sachen für den Luftschutzbunker packt.

Auch „Frankenstein“ des Gernsbacher Puppentheaters Gugelhupf ist nichts für zart besaitete Kinderseelen. Mit viel Qualm, Blut und Heavy Metal belebt Frieder Kräuter den alten Jahrmarktskasper wieder und lässt die knorrige Lindenholzpuppe gegen Fernseh-Gummi-, Verkehrskasper, Tod und Teufel antreten.

An Jugendliche und Erwachsene richtet sich auch das Meensener Figurentheater Gingganz, das am Samstag darauf seine Inszenierung von Samuel Becketts „Warten auf Godot“ im Goethe Institut zeigt.

Aber auch das traditionelle Publikum kommt auf seine Kosten: mit dem Grüfello, einer Schweinehochzeit oder Lotta aus der Krachmacherstraße. Insgesamt sind bis Ende Februar 30 Produktionen von 15 Theatergruppen zu sehen.

■ Göttingen: Sa, 9. 2. bis So, 24. 2., www.figurentheatertage-goettingen.de