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Gefälschte Ausgabe der "New York Times"Am 4. Juli ist der Irakkrieg vorbei

Eine Aktivistengruppe hat am Mittwoch in mehreren US-Metropolen eine gefälschte Ausgabe der "New York Times" in Umlauf gebracht. Die echte Redaktion reagierte inzwischen.

Sechs Monate Arbeit in einer Zeitung: Gefälschte "New York Times". Bild: ap

BERLIN taz/dpa "Der Irak-Krieg ist vorbei" konnten hunderttausende Menschen in New York, Los Angeles und weiteren Metropolen am Mittwoch auf der Titelseite der New York Times lesen. Auch sei das Gefangenenlager Guantánamo geschlossen und Bush wegen Hochverrats angeklagt. US-Außenministerin Condoleeza Rice entschuldige sich zudem dafür, dass die Bush-Administration bereits lange vor der Invasion gewusst habe, dass der damalige irakische Diktator Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen besitzt.

Über 1000 freiwillige Helfer hatten am Mittwoch Morgen die 1,2 Millionen Exemplare der 14-seitigen Sonderausgabe an Passanten verteilt. Das die gefälscht ist, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Die Aufmachung entsprach bis ins Detail dem Original, es gab sogar falsche Anzeigen und eine Korrekturspalte. Einzig das Datum verriet, dass es sich um einen Scherz handeln muss. Die Zeitung war auf den nächsten Nationalfeiertag, den 4. Juli 2009 datiert.

Als Herausgeber bekannte sich die Aktivisten- und Aktionskünstlergruppe "The Yes Men". Der Aufwand für ihren Scherz war enorm. Sechs Monate lang haben sie an der Zeitung gearbeitet, teilten sie mit. In insgesamt sechs verschiedenen Pressen seien die 1,2 Millionen Zeitungen gedruckt worden. Einer der Urheber des Projekts, der sich selbst als "Wilfred Sassoon" ausgab, sprach von rund 30 beteiligten Autoren. Seinen Angaben nach lieferten auch einige Mitarbeiter der echten "New York Times" Artikel ab. Als Motiv gaben sie an, sie wollten die neue Regierung des künftigen Präsidenten Barack Obama ermuntern, ihre Wahlversprechen zu halten.

In der Vergangenheit haben die "Yes Men" bereits durch eine gefälschte Internet-Seite der Welthandelsorganisation WTO Aufmerksamkeit erregt. Als vermeintliche WTO-Mitarbeiter wurden sie außerdem zu Konferenzen und Vorträgen eingeladen, bei denen sie dann als satirische Kritiker auftraten. Auch zur gefälschten Times-Ausgabe gibt es eine entsprechende Seite im Internet, die der echten Website nachempfunden ist.

Die echte New York Times hat mittlerweile auf den Vorfall reagiert. Auf ihrer Homepage berichtet sie über die Aktion und lässt einen ehemaligen Times-Mitarbeiter zu Wort kommen. Der nennt die Zeitungsfälschung "ein gigantisches Kompliment". Allen, die eine Fälschung ergattert haben, rät er: "Wenn Sie eine haben, behalten Sie sie. Es wird vielleicht ein Sammlerstück."

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2 Kommentare

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  • B
    Bert

    Die Aktionen könnte man wiederholen, dann würden auch die Sammlungen der Sammlerstücke noch wertvoller.

  • BW
    bernhard wagner

    Wenn das Gefangenenlager G. - das in mehrfacher Hinsicht aus ethisch menschenrechtlicher wie aus juristisch völkerrechtlicher Sicht inakzeptabel ist,

    tatsächlich geschlossen werden wird, sollte aber unbedingt sichergestellt werden, dass

    kein einziger der Gefangenen in ein Gefängnis gerät,

    in dem noch schlimmere Zustände herrschen und über das die Weltöffentlichkeit noch viel weniger Kontrolle hat, und solche gibt es wahrscheinlich hunderte, wenn nicht tausende weltweit, z.B. im Irak, in Pakistan u.s.w. - wie ich nicht nur aufgrund eines langjährigen Engagements bei Amntesty International vermute, sondern auch Expertinnen+Experten zu diesem Thema betonen.

     

    Die Forderungen nach einer Schließung sollten m.E. daher zugleich immer mit einer dementsprechenden Forderung verbunden sein.

     

    Das geschieht leider viel zu selten.

     

    Und oft habe ich den Eindruck, manchen Leuten geht es nicht einmal primär wirklich um die dort gefangen gehaltenen Menschen, sondern primär darum, ihren Anti-USA- oder anti-"westlichen" [Anführungszeichen hier bewsusst gesetzt, da ich dieses Stereotyp eher zitiere als selbst ungefragt übernehmen möchte] Ressentiments Luft zu machen. Die oben erwähnte zu kurz gedachte Kritik ist dafür bezeichnend.