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Archiv-Artikel

Familieseniorenfrauenundjugend

Im Koalitionsvertrag gibt es kein Gleichstellungskapitel. Stattdessen sieht er eine „ganzheitliche“ Politik für die gesamte Großfamilie vor. Frauenrat und Grüne enttäuscht

Instrumente für das viele „wollen“ und „sollen“ sucht man vergebens

BERLIN taz ■ Die familienpolitische Verschwiemelung der Frauenpolitik ist wieder da. Man hatte sie über sieben Jahre Rot-Grün schon fast vergessen. In dieser Zeit behandelten Koalitionsverträge in ganzen Gleichstellungskapiteln Frauen in der Wirtschaft oder Gender Mainstreaming und versprachen einen „Aufbruch in der Frauenpolitik“. Diese Zeiten sind vorbei. Gleichstellungskapitel sucht man im Vertrag der großen Koalition vergebens. Unter „familienfreundliche Gesellschaft“ finden sich hinten nach dem Kindschaftsrecht ein paar vage Formulierungen zur Gleichstellung.

Die schwarz-rote Koalition projektiert uns alle als eine große Familie: „Unser Ziel ist eine ganzheitliche Politik für Familie, Senioren, Frauen und Jugend“, heißt es da, und dass dies sicherlich „den Zusammenhalt der Gesellschaft fördert und stärkt“. Weg ist die einzelne Person mit ihren Ansprüchen. Stattdessen ist von der Gemeinschaft die Rede, in der die Einzelne doch bitte „ganzheitlich“ an den „Zusammenhalt“ denken soll.

Da aber auch die Union sich familienpolitisch modernisiert hat, sind die Vorhaben in diesem Bereich zumindest klar definiert: Das Elterngeld kommt schon 2007, das Teilzeitgesetz wird nicht gekippt, wie die Union es lange wollte, der Kita-Ausbau wird 2008 evaluiert und eventuell mit einem Rechtsanspruch für Zweijährige forciert. (Dass das Geld dafür immer noch aus den Hartz-IV-„Einsparungen“ kommen soll, ist allerdings angesichts der explodierenden Kosten für das Arbeitslosengeld II ein schlechter Witz.) Auch die sehr erfolgreichen „Bündnisse für Familie“, die SPD-Frauenministerin Renate Schmidt ins Leben gerufen hatte, werden wohl nur umetikettiert und heißen nun „offensive familienbewusste Arbeitswelt“.

Ähnlich klare Aussagen hätte man sich für die Gleichstellungspolitik auch gewünscht. Aber hier wimmelt es von Pauschalaussagen und Prüfaufgaben. „Wir wollen, dass Männer und Frauen gleichermaßen einer sozial abgesicherten und Existenz sichernden Erwerbsarbeit nachgehen können.“ Solche Sätze finden sich zuhauf. Nur: Instrumente für dieses viele „wollen“, „sollen“ und „einsetzen für“, die sucht man vergebens. Die unguten Folgen des Hartz-IV-Gesetzes für Frauen sollen „geprüft“ und möglicherweise „nachgebessert“ werden. Doch gleichzeitig werden als Sparmaßnahme die Rentenbeiträge für Hartz-IV-Betroffene gekürzt, ihre Situation wird also weiter verschlechtert. „Die geforderten besseren Chancen für Frauen im Erwerbsleben führen sich selbst ad absurdum“, kritisiert die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, deshalb ganz zu Recht. Immerhin soll auch für Arbeitslose, die wegen des Einkommens ihres Partners kein Geld vom Staat erhalten, dieser neue winzige Rentenbeitrag gezahlt werden.

Ganz finster wird es, wenn man nach dem Ausschau hält, was die rot-grüne Regierung sich einst als Querschnittsaufgabe für alle Ressorts vorgenommen hatte: Gender Mainstreaming. Die CDU will von solchen Anglizismen ohnehin nichts wissen, der Begriff findet deshalb im Koalitionsvertrag schon einmal gar nicht statt. Das Gender-Kompetenz-Zentrum, das die zahlreichen Projekte der alten Bundesregierung koordinierte und überwachte, wird zwar ausdrücklich nicht abgeschafft. Doch werden auch keine Vorhaben formuliert, an denen es beteiligt sein könnte. Lediglich einen Gleichstellungsbericht will die künftige Regierung vorlegen. Ein Hoffnungsschimmer, wie Henny Engels vom Deutschen Frauenrat findet: „Wenn das endlich ein vernünftiger Index mit einer guten Vergleichsbasis ist, ist das ein echter Fortschritt.“

Und ganz zum Schluss gibt’s noch einen Klassiker: Die Gleichstellung in der Wirtschaft wird ein weiteres Mal bilanziert. Und ja, tatsächlich „werden wir über dann möglicherweise notwendige, verbindliche Instrumente befinden“. Wetten werden entgegengenommen.

HEIDE OESTREICH