piwik no script img

Popkulturmagazin "Bauerfeind"Ratter, ratter, ratter

Pulsprobleme: Das neue Popkulturmagazin "Bauerfeind" legt einen schwachen Auftakt hin - mit Stangenware und dem Verkaufen von Trends, die keine sind (3sat, 21.30 Uhr).

Als Moderatorin von "Polylux" wurde Katrin Bauerfeind das erste Mal analog. Jetzt hat sie ein eigenes Magazin und manch ZuschauerIn wünscht sie sich als "Ehrensenf"-Macherin ins Netz zurück. Bild: dpa

Es beginnt damit, dass Katrin Bauerfeind mit Udo Lindenberg zusammensitzt und verlegen kichert. Bauerfeind sagt, sie habe "Schwitzehändchen" vor Aufregung, und Lindenberg hat auch Schwitzehändchen, weil Bauerfeind, nuschelt er, eine "superaufregende Frau" sei und sein Puls deshalb "ganz schön turbo, hähähähä, ratter, ratter, ratter, ratter, gut angespeedet".

Ja, so beginnt "Bauerfeind", die neue, nach ihrer Gastgeberin benannte Popkultursendung auf 3sat. Bisschen peinlich dieser Einstieg: die Moderatorin als Groupie, das sich nicht einkriegt, den großen, alten Bundes-Udo treffen zu dürfen. Was aber halb so wild wäre, wenn bloß auch die Sendung der Schwitzehändchenfrau so ratter, ratter, ratter, turbo und angespeedet wäre. Zumindest der Puls der ersten Folge ist aber kaum zu vernehmen.

Katrin Bauerfeind ist einst bekannt geworden als charmante Moderatorin von "Ehrensenf", einer Grimme-Preis-gekrönten Satiresendung im Internet. Das war 2006; lange wartete das Fernsehen nicht, die heute 26-Jährige abzuwerben. Inzwischen ist sie ganz im analogen TV, hat einiges moderiert, "Polylux" etwa in der ARD, als es das Magazin mit Tita von Hardenberg noch gab und die kurz weg war, die Geburtenrate anzukurbeln.

Nun ist von Hardenberg ganz weg aus der Glotze, eingespart vom RBB, und Bauerfeind ist also mit eigenem Popmagazin da. Das Layout der Sendung ist einer PC-Oberfläche nachempfunden, auf der Bauerfeind zu sehen ist und auf der sie rumklickt, wohl in Reminiszenz an ihre Geburt als Moderatorin im Netz. Und so klickt sie also fortwährend, gern auch, wenn ein Beitrag läuft. Den hält sie dann an, spricht rein, kommentiert, klickt weiter.

An dieses Gezappe muss man sich als Zuschauer erst mal gewöhnen, und manchmal würde man gerne selber zappen, thematisch nämlich dröppelt das Ganze so vor sich hin. Den größten Teil nimmt Bauerfeinds aufgeregtes Kopf-an-Kopf mit Lindenberg ein, eingeläutet von einem Interview mit dem persönlichen Referenten Lindenbergs: Benjamin von Stuckrad-Barre.

Ansonsten wird Stangenware abgeliefert, die journalistisch teilweise aus dem Discounter kommt. Ein Beitrag über die Internetstrategien deutscher Parteien im Superwahljahr, die sich freilich alle an Obama orientieren. Und ein Bericht darüber, dass Ballerspieler die Manager von morgen sind, weil sie die nötigen Fähigkeiten mitbringen, was auch sein mag. Nur, wer preist in dem Beitrag den Zockernachwuchs? Nein, kein Waschmaschinenfabrikant aus Bielefeld-Brackwede, zu Wort kommen Computerfirmen, was Bauerfeind zu dem Schluss führt, virtuelle Welten setzten sich "in der Wirtschaft" durch.

Da ist es wieder, das Dilemma, dem Popsendungen gerne erliegen: Sie verkaufen etwas als Trend, auch wenn es das gar nicht ist. Der größte Wurf aber folgt hier zum Schluss. Wie wohl ein Soundlogo der CDU klingen könnte, wollte Bauerfeind rausfinden. Keine zwei Minuten dauert der Beitrag, dann bricht die Moderatorin ab und verkündet ihr Fazit: "Wir wissen einfach nicht, wie die CDU klingen sollte, aber Sie ja vielleicht!" Spätestens an dieser Stelle hört der Puls dieser öffentlich-rechtlichen Popsendung endgültig auf zu rattern.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • J
    Jeff

    Nörgel, nörgel, nörgel...

     

    Wenn man's nicht besser wüßte, könnte man annehmen, daß es sich hier um einen Auftragsverriß handelte. Kann ja auch nicht angehen, daß junge Gesichter eine Chance bekommen, sich mit einem neuem Format im Fernsehen auszuprobieren und dabei auch Fehler zu machen, ohne daß schon nach der ersten Sendung jemand daherkommt und Parallelen der Art alles-schon-mal-dagewesen zieht und kleinste Kleinigkeiten wie die Schwitzehändchen als Ausdruck journalistischer Inkompetenz wertet. Wie erbärmlich ist das?

     

    Das Interview mit Udo war erfrischend, die positive Berichterstattung über Computerspieler zeitgemäß, was natürlich vor allen Dingen daran lag, daß der unsägliche Christian-ich-kann-Kausalität-nicht-von-Korrelation-unterscheiden-Pfeiffer nirgendwo aufgetaucht ist und das ist bei den öffentlich-rechtlichen nicht selbstverständlich.

     

    Jeff

  • H
    habit

    Ich stimme Herrn Escher zu und füge nur noch an, das ja unter Umständen der Inhalt auch mit den Erfahrungen wachsen kann... Bei neuen Formaten sollte man doch ein wenig mehr Zeit gewähren und nicht immer gleich lospoltern, nur weil man etwas schreiben muss.

  • LR
    Lothar Rodis

    Seit Ihr sicher, dass Ihr die Sendung auch gesehen habt?!

  • HE
    Helmut Escher

    Den Artikel von Boris Rosenkranz nennt man ja wohl einen "Verriss". Dass dies einer Startsendung passiert, finde ich bedauerlich. Jedenfalls bin ich anderer Meinung und ich hoffe, dass die Ankündigung der Fortsetzung dieses neuen Sendeformates zutrifft.

     

    Immerhin haben es Frau Bauerfeind und ihr Team geschafft, den "großen, alten Bundes-Udo" (Kommentar Boris Rosenkranz) vor die Kamera zu holen. Udo Lindenberg gibt einer 35 Jahre jüngeren Journalistin die Chance, ihn zu befragen (auch "ernste" Themen nach dem Tod). Ich war gespannt auf die Sendung. Gut gemacht, Frau Bauerfeind! Die Sache mit den "Schwitzehändchen" habe ich eher als Satire aufgefasst. Die Befragung war eher souverän.

     

    Helmut Escher