Die SPD-Linke formiert sich: Trainieren für den Lagerwahlkampf

Die SPD-Linke will im Wahlprogramm Mindestrente und Vermögensteuer durchsetzen. Doch zur Finanzkrise fällt ihr bislang wenig Zündendes ein.

Soziales Profil zeigen ohne zu provozieren: Björn Böhning, Sprecher der SPD-Linken, und Parteichef Franz Müntefering. Bild: dpa

BERLIN taz Am Montag hielt Frank-Walter Steinmeier im SPD-Parteirat eine sehr lange Rede. "Zeitenwende" war der Schlüsselbegriff. Die Herrschaft der Marktradikalen sei zu Ende, der Finanzcrash eine Zäsur. "Vor uns", so Steinmeiers frohe Botschaft, "liegt ein sozialdemokratisches Jahrzehnt." Die SPD glaubt derzeit an die Kraft der Autosuggestion. Wenn man oft genug erzählt, wie prima alles wird, dann wird es irgendwann auch so. Die bescheidenen Umfragewerte schrumpfen dabei zum unerfreulichen Detail.

Die SPD-Linke ist jedenfalls zufrieden mit ihrem Kanzlerkandidaten. Die "Überschriften stimmen schon mal", so Hermann Scheer. Das Lob der Linken für Steinmeier ist nicht selbstverständlich. Erst vor einem halben Jahr putschten Steinmeier und Müntefering gegen Kurt Beck, den die SPD-Linke stets gestützt hatte. Der Putsch ist nicht vergessen - aber er spielt keine Rolle mehr. Denn die Angst der Linken, von den Agenda-2010-Erfindern Müntefering und Steinmeier an die Wand gedrückt zu werden, ist geschwunden.

Im April wird die SPD nun ihr Wahlprogramm vorlegen - und die Linke will ihm ihren Stempel aufdrücken. Björn Böhning, Sprecher der SPD-Linken, hat vier Kernforderungen formuliert: die Verstaatlichung der Stromnetze, mehr Mitbestimmungsrechte in der Finanzindustrie und eine steuerfinanzierte Mindestrente für alle, die wenigstens 35 Jahre Rentenbeiträge gezahlt haben; außerdem soll die Vermögensteuer her - eine Art Mantra der SPD-Linken.

So soll die SPD ein klares soziales Profil zeigen, ohne die Agenda-Erfinder Steinmeier und Müntefering zu provozieren. Das Gros der SPD-Linken hat sich längst mit Hartz IV und der Rente mit 67 arrangiert - nur eine einflusslose Minderheit um Ottmar Schreiner fordert nach wie vor die komplette Revision. Die moderate Linke setzt auf sanfte Korrekturen. Damit hat sie Handlungsspielraum gewonnen. Die zähe, erfolglose Schlacht gegen die Agenda hatte am Ende auch die SPD-Linke gelähmt.

Ist also alles wieder im Lot? Nicht ganz. Der linke Außenpolitiker Niels Annen wurde kürzlich rüde aus seinem Wahlkreis gedrängt. Als Drahtzieher gilt der Chef des rechten Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. "Das werden wir nicht vergessen", so ein SPD-Linker. Auch der Hamburger SPD-Linke Ortwin Runde, einer der wenigen Finanzexperten der Partei, wird nicht mehr im nächsten Bundestag sein. Und bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften aus den sozialen Bewegungen steht es nicht zum Besten. Attac-Aktivist und Finanzexperte Sven Giegold kandidiert für die Grünen - nicht für die SPD. Das verstärkt den Eindruck, dass der SPD-Linken zur Finanzkrise, dem Thema 2009, nichts Zündendes einfällt. Es geht ihr wie der Linkspartei. In dem Moment, in dem manche ihrer Forderungen in der Mitte ankommen, wirkt sie blass.

Im Wahljahr, vermutet Sozialexperte Karl Lauterbach, wird die FDP "uns einen Lagerwahlkampf aufzwingen". Dafür will man sich mit einem sozial scharf konturierten Programm wappnen. Wichtig, so Lauterbach, sei dabei die Mindestrente. Dort lagere sozialer Sprengstoff. In 20 Jahren wird wohl jeder Dritte nur noch eine Rente auf Sozialhilfeniveau beziehen. Doch ob sich Böhning & Co mit der Mindestrente durchsetzen, ist offen. Ebenso, ob die Mindestrente als Alleinstellungsmerkmal für einen Lagerwahlkampf taugt. Im letzten Mai gab es die Debatte schon mal. Damals forderte CDU-Mann Jürgen Rüttgers die Mindestrente. Der schärfste Widerstand kam von einem SPD-Genossen - Arbeitsminister Olaf Scholz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.