Kino-Film "Revanche": Her mit der Marie !

Die Protagonisten durchleben, was der Betrachter schon durchschaut: Dadurch aber belässt Götz Spielmann in seinem Spielfilm "Revanche" beiden Parteien ihre Würde.

Verknotung individueller Wünsche, Fehler, Schuld, Hoffnungen: Film "Revanche". Bild: dpa

Bei einem Überfall gibt es eine klassische Arbeitsteilung: Ein Räuber zieht sich eine Maske über, stürmt in die Bank, raubt das Geld und sucht das Weite. Ein Komplize sitzt währenddessen in einem Fluchtauto und hält sich bereit. In Götz Spielmanns Film "Revanche" ist die Sache anders. Der Räuber fährt selbst mit dem Auto in einen kleinen Ort in der österreichischen Provinz. Während der Mann in die Filiale einer regionalen Bank eilt, sitzt seine Freundin, die im strengen Sinn nicht seine Komplizin ist, auf dem Beifahrersitz und betet. Die latente Komik dieser Szene kippt, als der Polizist Robert auf das Auto aufmerksam wird. Er verlangt nach dem Ausweis der Frau. Sie kann keinen vorzeigen, denn Tamara stammt aus der Ukraine und ist als Prostituierte illegal im Land. Sie möchte mit Alex, ihrem Freund, in ein besseres Leben abhauen. Dem Banküberfall ("es kann nichts schiefgehen") hat sie widerwillig zugestimmt. Als Alex mit der Beute in der Hand zurückkehrt, ist Robert gerade mit einer Amtshandlung beschäftigt.

So treffen zwei österreichische Männer an einem Ort aufeinander, an dem eigentlich nie etwas geschieht; und eine ukrainische Frau, interessiert daran, unauffällig zu sein, gerät in den Mittelpunkt eines dramatischen Geschehens. Für einen Moment bricht die ländliche Ruhe auf und öffnet den Blick auf eine europäische Tragödie. Für einen Moment nur, denn Götz Spielmann ist mehr daran gelegen, den Auswirkungen einer kleinen Verkettung von Fehlern und Fehleinschätzungen nachzuspüren, als den Moment des Umschlags selbst groß auszukosten.

"Revanche" ist der bisher mit Abstand beste Film des österreichischen Regisseurs, der schon in "Antares" eine Verkettung von Zufällen auf einige Paarbeziehungen fast analytisch abbildete, vor allem aber mit der Schnitzler-Adaption "Spiel im Morgengrauen" ein Schulbeispiel für modernes Erzählen von schicksalhafter Konsequenz geliefert hat. In "Revanche" geht es nun wieder um eine Verknotung individueller Wünsche, Fehler, Schuld, Hoffnungen: Die Geschichte von Alex (Johannes Krisch), Handlanger eines Wiener Zuhälters, und Tamara (Irina Potapenko), potenzielle Nobelprostituierte in dessen "Team", trifft auf die Geschichte von Robert (Andreas Lust), Polizist in einem österreichischen Marktflecken, und seiner Frau Susanne (Ursula Strauss). Alex und Tamara wollen weg, Robert und Susanne haben ein einsam gelegenes Eigenheim. Sie wollen dableiben, sie wollen ein Kind, können aber keines kriegen. "An mir liegt es nicht", weiß Susanne, und Robert, der weiß, dass es an ihm liegt, kann damit nicht gut umgehen.

Götz Spielmann führt diese Menschen auf einander zu, ohne dass sie jemals den Überblick über das Geschehen gewinnen könnten, den das Publikum hat. Das ist eine für österreichische Regisseure nicht untypische Erzählhaltung, bei der der Suspense daher rührt, dass wir den Figuren dabei zusehen können, wie tapfer oder wie hilflos sie mit ihrer unübersichtlichen Lage zurechtkommen. Götz Spielmann aber geht es in seinem kleinbürgerlichen, ländlichen Trauerspiel nicht um eine Zivilisationsdiagnose (wie es bei Michael Haneke immer und bei Ulrich Seidl immer öfter den Anschein hat), er bleibt bedingungslos auf der Seite seiner Figuren und belässt ihnen eine Würde, die sie gerade dadurch gewinnen, dass sie etwas durchleben, was wir schon durchschauen. Dieser Differenz gewinnt "Revanche" eine ganze Menge ab.

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