: Kampf gegen den Jobverlust beginnt
Trotz Rekordgewinnen will die Versicherungsbranche tausende Arbeitsplätze streichen. Die Beschäftigten erhöhen den Druck auf die Arbeitgeber mit einem Warnstreik – damit Stellen gesichert und höhere Löhne gezahlt werden
HAMBURG taz ■ In der Hamburg-Mannheimer Versicherung fand gestern der erste Warnstreik der Beschäftigten statt. Sie wollen so den Druck auf die Arbeitgeber in der aktuellen Tarifrunde der Versicherungsbranche erhöhen. Zum ganztägigen bundesweiten Protest hatte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) aufgerufen. Die Versicherungsbranche streicht derzeit Stellen – trotz Rekordgewinnen.
Ver.di fordert zum einen, dass die Gehälter um 4,5 Prozent angehoben werden. Und zum anderen: die Sicherung von 240.000 Arbeitsplätzen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen künftig ausgeschlossen werden – auch, wenn Unternehmen rationalisieren oder umstrukturieren. „Das Versicherungsgewerbe ist eine Zukunftsbranche mit sehr guten wirtschaftlichen Ergebnissen und guten Aussichten“, betont Ver.di-Verhandlungsführer Uwe Foullong. Daran „müssen die Beschäftigten beteiligt werden“. Die großen Versicherungskonzerne verdienen mehr denn je. Zugleich planen sie einen radikalen Jobabbau.
Allen voran steigerte Branchenführer Allianz seinen Gewinn von Januar bis Juni dieses Jahr um mehr als die Hälfte. Dennoch kündigte der Münchener Konzern jetzt Umstrukturierungen auf Kosten von Arbeitsplätzen an. Nach Auffassung der Gewerkschaft werden dadurch mindestens 5.000 Jobs verloren gehen. Auch bei anderen Branchengrößen wie Victoria, Generali oder Volksfürsorge könnten bis zu 15.000 Jobs gestrichen werden. Das Kalkül der Sicherheits-Manager: Sie vernichten massenhaft Jobs und erzielen dann neue Rekordprofite.
Den Weg zu dieser neuen Genug-ist-nicht-genug-Strategie hatte bereits 1994 Deutsche-Bank-Boss Hilmar Kopper gewiesen, „in den Kosten steckt der Gewinn“. Nun werden auch in der Assekuranz Verwaltung und Produkte industrialisiert: So werden Sachversicherungen konzernweit standardisiert und mit unterschiedlichen Etiketten an die Kunden verkauft. Beschleunigt werden dürfte die Industrialisierung durch weitere Großfusionen. Diese werden neben dem Innendienst auch die Verkäufer treffen. Zudem setzen Allianz und Co. stärker auf Internet und Direktvertrieb ohne Vertreter. Die Hamburg-Mannheimer will zudem die meisten angestellten Außendienstler in die Scheinselbstständigkeit entlassen.
Die Versicherungswirtschaft hält die Ver.di-Zahlen allerdings für „reine Spekulation“. In der Vergangenheit sei man sehr vorsichtig mit dem Abbau von Arbeitsplätzen umgegangen – und dies werde man auch in Zukunft tun, so der Arbeitgeberverband AGV. Allerdings zwinge der Globalisierungsdruck dazu, Kosten einzusparen. Bei der Hamburg-Mannheimer könnte es laut Ver.di jeden vierten Arbeitsplatz in der Verwaltung treffen. Eine Sprecherin wollte die Zahlen allerdings nicht bestätigen. Man sei noch im „Planungszustand“, sagte sie.
Die Beschäftigten sind zumindest alarmiert: Bundesweit blieb laut Ver.di jede zweite Hamburg-Mannheimer Geschäftsstelle den ganzen Tag geschlossen. Mehr als 900 Streikende fuhren gestern aus der ganzen Bundesrepublik nach Düsseldorf. Sie versammelten sich dort vor der Zentrale des Ergo-Konzerns. Zu diesem gehört die Hamburg-Mannheimer, die D.K.V. und die Victoria-Versicherung. Dort tagte zur selben Zeit der Konzernvorstand. HERMANNUS PFEIFFER