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Archiv-Artikel

Die Geber spenden zu wenig und zu spät

Seit Jahren fehlen der humanitären Hilfe weltweit jährlich über eine Milliarde Dollar. Eine Reform ist überfällig

Obdachlose in Kaschmirs Bergen zu retten, ist im Winter teurer und schwieriger als im Oktober

BERLIN taz ■ Die Welle der internationalen Hilfsbereitschaft nach dem Tsunami in Asien um die Jahreswende 2004/05 ist eine Ausnahme geblieben. Nach dem dramatischen Erdbeben in Pakistan am 8. Oktober, dessen Auswirkungen von Helfern inzwischen als noch viel verheerender eingeschätzt werden als die des Tsunamis, floss internationale Hilfe sehr zögerlich. Nur 15 Prozent des von der UNO errechneten Bedarfs an Nothilfe waren einen Monat nach der Katastrophe finanziert. Jetzt naht in Kaschmirs Bergen der Winter, und es droht der Tod zehntausender Schutzloser.

Pakistan ist typisch: 16 Prozent des Bedarfs ist der Durchschnittswert dessen, was UN-Helfer für ihre Appelle im ersten Monat einer Katastrophe einsammeln. Überall spenden Geber zu wenig und zu spät. Dabei ist der Aufwand umso kleiner, je früher geholfen wird. Ein Kind in Niger vor der Unterernährung zu bewahren, kostet einen Dollar pro Tag – es vor dem unmittelbaren Hungertod zu retten, kostet 80 Dollar pro Tag. Obdachlose in Kaschmirs Bergen zu retten, wird mitten im Winter viel komplizierter sein als im Oktober.

Seit Jahren fehlen den UN-Hilfsappellen für Kriegsgebiete und Notlagen in aller Welt jährlich zwischen 1 und 2 Milliarden Dollar. Denn obwohl jedes Jahr – mit der Ausnahme von 2004 – immer mehr Geld in die humanitäre Hilfe fließt, wächst auch der Bedarf. Im Zeitraum 2000–04 waren weltweit ein Drittel mehr Menschen von Katastrophen betroffen als im Zeitraum 1995–99, und der größte Zuwachs fand in Afrika statt, wo Hilfsappelle auf die geringste internationale Resonanz stoßen. Im laufenden Jahr suchen allein die UN-Hilfswerke – die rund die Hälfte der humanitären Hilfe weltweit leisten – rund 5 Milliarden Dollar, wobei diese Summe aus der Jahresmitte stammt und weder das Erdbeben in Pakistan noch den Hunger in Malawi enthält. Noch nie ist von Geberregierungen auch nur annähernd eine solche Summe zusammengekommen.

Die größten Finanzlöcher in der Geschichte der humanitären Hilfe und ein ständig wachsender Hilfsbedarf – eine Reform der humanitären Hilfe des UN-Systems, um sich aus der Abhängigkeit von Spenderlaune zu lösen, ist überfällig.DOMINIC JOHNSON