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Archiv-Artikel

„Wer richtig rechnen kann, weiß das“

Keine Angst vor der großen Koalition in Berlin. Der deutsch-türkische Solarunternehmer Ahmet Lokurlu aus Aachen über die sonnigen Aussichten für die Solarbranche. Angesichts weltweit steigender Energiepreise rechneten sich Solaranlagen viel schneller – vor allem dort, wo die Sonne scheint

INTERVIEW:Hans-Christoph Neidlein

taz: Energie- und Umweltpolitik war eines der umkämpften Themen auf den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Schon witterten deutsche Energiewirtschaft und Industrieverbände Morgenluft und hofften auf neue Chancen für niedrigere Umweltstandards. Machen Ihnen solche Diskussionen als Solarunternehmer Sorgen?

Ahmet Lokurlu: Auch die designierte Bundesregierung hat letztlich die wirtschaftlichen Chancen der regenerativen Energien und der Umwelttechnologie für den Exportweltmeister Deutschland erkannt: Leute, die richtig rechnen können, wissen dies. Wir sind in der glücklichen Lage, dass unsere Produkte durch steigende Energiepreise immer günstiger werden. Seit Monaten stehen Investoren aus der ganzen Welt bei mir Schlange, weil sie sich für solare Kühlsysteme interessieren. Als ich vor drei bis vier Jahren für meine Solarprojekte die ersten Wirtschaftlichkeitsberechnungen machte, war der Strom in Ländern wie Türkei oder Zypern halb so teuer wie heute. Nun amortisieren sich unsere Anlagen zur solaren Klimatisierung vielfach schon innerhalb von fünf Jahren.

Wenn der Staat weniger Fördermittel bereitstellt und erklärt hat, Subventionen abzubauen, ist das für Sie also kein Problem?

Dass kleine Startup-Unternehmen wie unsere Firma Solitem in Fördermitteln schwimmen, ist doch ein Märchen. Und Dauersubventionen halte ich für kontraproduktiv. Sinnvoll ist eine staatliche Förderung bei der Ideenentwicklung, bei der Existenzgründung sowie bei der Markteinführung innovativer Produkte gerade im Exportbereich. Das größte Problem sehe ich bei der kurzfristigen Kapitalbeschaffung für innovative, mittelständische Firmen, die in den Startlöchern stehen. Da herrscht in vielen deutschen Amtsstuben und bei Banken noch immer zu großes Sicherheitsdenken. Die Japaner und US-Amerikaner sind uns da Meilen voraus. Vor einiger Zeit hatte ich Probleme, einen kurzfristigen Kredit von 40.000 Euro für ein neues Solarprojekt in der Türkei zu bekommen, obgleich ich mit meinem Geschäftspartner bereits Verträge von über 250.000 Euro abgewickelt hatte.

Wie groß ist der weltweite Markt für die solare Klimatisierung?

Riesig. In vielen südlichen Ländern von der Türkei bis Indonesien oder Brasilien werden für die Klimatisierung in Sommermonaten 30 bis 50 Prozent des gesamten Strombedarfs benötigt. Immer häufiger kommt es deshalb zu enormen Problemen durch Stromausfälle. Wenn die Klimaextreme weiter zunehmen, steigt der Bedarf zusätzlich. Wir haben jetzt neue Projekte in Hotels in Alanya und Agadir in Marokko und planen etwas für ein Krankenhaus im jordanischen Amman und eine Forschungseinrichtung bei Istanbul. Da werden wir demnächst 600 Quadratmeter Parabolrinnen-Kollektoren installieren. Nächste Woche fliege ich zu Verhandlungen mit Hotelmanagern nach Zypern, Tunesien und anschließend in den Fernen Osten.

Doch Sie bleiben trotz der südlichen Wachstumsmärkte in Nordrhein- Westfalen?

Ja, dafür spricht für mich trotz hoher Personalkosten das weltweit gute Image deutscher Technik und unserer eingeführten deutschen Produkte. Wir arbeiten jetzt schon in internationaler Arbeitsteilung mit der Systementwicklung in Aachen und der Komponentenherstellung und Montage in unserer Tochterfirma in Ankara. Dies möchte ich mit weiteren Tochtergesellschaften ausbauen, beispielsweise in Mexiko, um von dort aus den US-Markt zu erschließen. Einen großen Vorteil der Firmenstruktur von Solitem sehe ich in der Kombination von deutscher Gründlichkeit und südlichem Temperament, dies setzt enorme Kreativität frei.