Es droht ein G-193-Gipfel

ANALYSE Warum die Klimakonferenz in Kopenhagen noch ohne konkretes Ergebnis blieb

AUS KOPENHAGEN BERNHARD PÖTTER

Die Klimakonferenz von Kopenhagen hat gezeigt, dass das System der COPs, also der Konferenz aller Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention, an seine Grenzen gestoßen ist. Die Menge der offen oder versteckt verhandelten Themen, die politische und naturwissenschaftliche Komplexität der Problematik und die Veränderungen unter den Staaten haben das Treffen so aufgeblasen, dass es kaum noch zu beherrschen ist. Waren die Banken in der Finanzkrise „too big to fail“ ist die Klima-COP inzwischen „too big to succeed“.

„Alle reden von einem Prozess, den die Länder vorantreiben“, stöhnt ein europäischer Verhandler. Das aber bedeute, dass man in einem Plenum von 193 Staaten niemals zu einer Einigung komme. Die traditionellen Strukturen, wie zum Beispiel die Umbrella Group (USA, Japan, Australien) und vor allem die G 77 mit China, lösen sich auf. Inselstaaten probten in Kopenhagen den offenen Aufstand gegen China als Führer der G 77, auch die afrikanischen Länder scherten aus. Die Staatschefs sind nicht besser: Brasiliens Präsident Lula bekannte nach einer Nachtsitzung, er sei frustriert, weil ihn das Hin und Her an die endlosen Verhandlungen aus seiner Zeit als Gewerkschafter erinnere.

Das Thema wird noch komplexer, weil unter der Flagge der Klimapolitik inzwischen Aspekte von Sicherheitspolitik, Handelsfragen und Entwicklungszusammenarbeit diskutiert werden. „Früher konnte man auf Umweltkonferenzen wie beim Ozon oder der Artenvielfalt relativ einfach Lösungen finden, weil das Thema begrenzt war“, sagt Hermann Ott, Klimaexperte der Grünen-Fraktion und Experte für internationale Umweltpolitik. Heute bewege sich der Prozess auf eine „G 193 zum Klima“ zu, wo auch ideologisch debattiert werde und die Entscheidungen im immer kleineren Rahmen ohne Presse und NGOs fallen würden.

Verhandlungen in einem kleineren Kreis zu führen, das hält Robert Stavins, Politikprofessor der US-Universität Harvard, für keine schlechte Sache. „17 Länder verursachen 90 Prozent der Emissionen; unter denen kann man das Problem lösen“, sagt Stavins. Das aber bedeute, dass man die Opfer ausgrenzt und die Empfänger von Hilfeleistungen zu Bittstellern ohne eigene Verhandlungsmacht würden.

Und es würde das nächste Hindernis aufbauen, das auch in Kopenhagen immer wieder zutage trat: psychologische Widerstände. Denn oft führt bei den Entscheidungen nicht wirklich die Vernunft die Feder: Viele Studien legen nahe, dass gemeinsames Handeln das Billigste und Effizienteste wäre. Aber selbst der Vorschlag, das Flugbenzin und Schiffsdiesel mit 20 Milliarden Dollar zu besteuern und das Geld für Entwicklungsländer einzusetzen, war umstritten – auch bei Ländern, die nur davon profitieren würden.

Wie wichtig verletzte nationale und persönliche Gefühle sein können, zeigte zum Beispiel auch der Vizedelegationschef der Chinesen. Er beschwerte sich darüber, dass „ein Land“ (die USA) ihm gesagt habe, er solle „die Zunahme der Emissionen bei uns einfach als Tatsache akzeptieren“. Der Kollege habe „nicht einmal sorry gesagt“, empörte sich Yu Qingtai.

Die Verhandlungen litten auch unter dem hohen Anspruch, alle Probleme dieser Welt auf einen Schlag zu lösen, kritisiert Hans-Joachim Schellnhuber. Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). „Aber das können wir nicht“, sagte er. „Wir sitzen auf der ‚Titanic‘ und sehen den Eisberg. Es geht jetzt darum, den Kurs zu ändern, um die Kollision zu verhindern. Und nicht, darüber zu streiten, ob es weiterhin Luxusklasse und Frachtraum gibt.“