: Geheimes Gefängnis
AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY
Die größte sunnitische Partei im Irak fordert eine internationale Untersuchung, um den Vorwurf zu klären, die irakische Polizei unterhalte geheime Gefängnisse, in denen Insassen gefoltert worden sein sollen. Wie jetzt bekannt wurde, hatten US-Soldaten bereits am Sonntag ein solches geheimes Gefängnis im Bagdader Stadtviertel Dschadriya entdeckt.
Der irakische Vize-Innenminister Hussein Kamal besuchte daraufhin die dort untergebrachten 173 Häftlinge persönlich. „Ich habe Spuren von Misshandlungen und brutalen Schlägen gesehen. Ein oder zwei der Gefangene waren gelähmt. Bei einigen war die Haut an verschiedenen Stellen des Körpers abgezogen“, lautet dessen grausige Schilderung. Die entdeckten Häftlinge sollen außerdem unterernährt gewesen sein.
Der irakische Premier Ibrahim al-Dschaafari ordnete eine Untersuchung an und versprach, jene zur Rechenschaft zu ziehen, die sich der Folter schuldig gemacht haben. Sein Stellvertreter, der Kurde Rowsch Schaways, soll die Untersuchung leiten und in zwei Wochen Bericht erstatten.
Doch für die Irakische Islam-Partei, der größten sunnitischen politischen Gruppierung, reicht dass nicht aus. Es habe bereits in der Vergangenheit Untersuchungen in ähnlichen Fällen gegeben, bei denen nichts herausgekommen sei, meinte dazu Parteisprecher Iyad al-Samarrai. Er fordert eine internationale Prüfung. „Wir glauben, dass die Verantwortlichen ganz oben in der Regierung zu finden sind.“
Parteichef Muhsen Abdel Hamid fügte hinzu, dass die Regierung derartige Anschuldigungen in der Vergangenheit routinemäßig abgestritten habe. Tatsächlich kursieren seit dem Antritt der neuen Regierung und des schiitischen Innenministers Bayan Jabr im April immer wieder Vorwürfe, das Innenministerium werde von der größten religiösen Schiitenpartei Sciri, dem „Obersten Rat der Islamischen Revolution“, kontrolliert, dem auch der Minister angehört. Angeblich sollen deren Badr-Milizen inzwischen polizeiliche Sonderkommandos stellen, denen Folter und willkürliche Verhaftungen vorgeworfen werden.
Das am Sonntag entdeckte geheime Gefängnis liegt in Bagdad nur zwei Kilometer entfernt von der Sciri-Zentrale und dem Hauptquartier der Badr-Milizen. „Wir haben mehrmals im Innenministerium nachgefragt, wie es kommt, dass sie keine Informationen über unsere sunnitischen Brüder haben, die von Leuten in Uniform gekidnappt wurden, die Polizeiautos und Polizeifunkgeräte benutzt haben“, erzählt Tariq al-Haschimi, ein anderer Funktionär der Irakischen Islam-Partei. Er fordert den Rücktritt des Innenministers Jabr, sollte sich zeigen, dass dieser in die Angelegenheit verwickelt ist. Der hat bisher derartiges stets als „sunnitische Propaganda“ bestritten, hüllt sich aber bei den neuen Vorwürfen über die geheimen Gefängnisse in auffälliges Schweigen.
Um einen Terroristen zu finden, würden sie hunderte unschuldiger Menschen einsperren und foltern“, lautet der Vorwurf Abdel Hamids. Der stellvertretende Innenminister Kamal betonte dagegen, dass alle jetzt entdeckten, meist sunnitischen Gefangenen aufgrund eines Haftbefehls festgenommen worden seien, der von irakischen Richtern unterzeichnet worden war. Aber Kamal gibt zu, dass die Gefangenen misshandelt wurden und verspricht, „sicherzustellen, dass derartiges nicht noch einmal geschieht“. Die Gefangenen seien in jenem Keller festgehalten worden, da das Justizministerium nicht über genügend Zellen verfüge, „um Terroristen einzusperren“.
Ein am Montag veröffentlichter UN-Bericht warnte bereits vor einer Verschlechterung der Haftbedingungen im Irak, wo derzeit schätzungsweise 23.000 Menschen inhaftiert seien. Bei Verhaftungen der irakischen Polizei würden „Rechtsgarantien zum Schutz von Individuen weiter missachtet“.