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Archiv-Artikel

Sieg der Chemieindustrie KOMMENTAR von HANNA GERSMANN

Männer bekommen ein Fruchtbarkeitsproblem. Nur ein striktes Chemikalienrecht würde gegen den Spermienschwund helfen. Doch Europa hat sich dagegen entschieden. Das EU-Parlament wird das größte Reformwerk der europäischen Umweltpolitik verwässern. Deshalb werden die Menschen sich weiterhin mit Cremes einschmieren, die zunächst gut riechen. Dann aber wie Hormone wirken.

Dabei ist eine rigorose Kontrolle für Stoffe, mit denen BASF, Bayer und Co ihr Geld machen, wichtiger denn je. Die gefährlichsten Substanzen kommen heute nicht mehr aus Schornsteinen oder Abwasserrohren. Mit jedem T-Shirt in seiner Einkaufstüte trägt der Konsument den Chemikaliencocktail mit nach Hause. Allein in einem Kilo Baumwolle stecken bis zu zehn Gramm Gift. Nachweislich deponiert jeder eine beträchtliche Chemiedosis im eigenen Körper. Das führt zu Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche. Allergien und Krebs nehmen zu.

Doch trotz dieser ernsten Nebenwirkungen sollen hunderttausende Chemikalien auf dem Markt bleiben. Die gesundheitlichen Folgen, der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, bleiben weitgehend unerforscht. Die Industrie hat sich durchgesetzt mit ihren Klagegesängen, die Tests seien zu teuer und kosteten Arbeitsplätze. Dabei hätten sich der Chemie-TÜV gerechnet: für die Sozialkassen.

Ursprünglich war ein zentrales Ziel der EU-Chemikalienrichtlinie, die Krankenkassen europaweit um bis zu 50 Milliarden Euro in den nächsten Jahren zu entlasten. Nun werden die Mediziner immer mehr Umweltkranke behandeln müssen. Die Politiker ignorieren fahrlässig alle Warnungen. Erst gestern meldete Spiegel Online, dass Forscher vor der Küste Kaliforniens männliche Fische fanden, denen weibliche Geschlechtsorgane gewachsen waren. Für die Experten steht fest, dass Umweltgifte an der neuen Weiblichkeit schuld sind.

Während die Verbraucher beunruhigt sein müssen, verdient die Chemieindustrie demnächst doppelt. Zum einen am ungehemmten Verkauf ihrer konventionellen Weichmacher und Pestizide. Hinzu kommt ein neues Geschäftsfeld: Hormonbehandlungen für ungewollt kinderlose Paare.