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Archiv-Artikel

Rheinisch-orientalisch

Permanente Umwälzungen: Das Kölner Eigelstein-Viertel

Ein einzig kölsch-türkischer Basar ist der Eigelstein schon seit gut einem Vierteljahrhundert. Wenige Gehminuten von Dom und Hauptbahnhof entfernt beginnt eines der ältesten und quirligsten Viertel Kölns, Multikulti at its best – auch wenn die Straßen rund um das mittelalterliche Eigelsteintor zugleich durch Drogenhandel und illegale Prostitution ins Gerede gekommen sind. Kölner Stadtplaner rechnen den Eigelstein seit Jahren zu den Sanierungsfällen. Mit den Straßen hat die Verwaltung im März diesen Jahres einen Anfang gemacht, die Umgestaltung rund um Eigelstein und Weidengasse (Klein-Istanbul) ist abgeschlossen, morgen wird die Gegend offiziell für den Verkehr frei gegeben.

Einen bedenklichen Zustand des Kölner „Veedels“ hatte auch Napoleon schon vorgefunden. Allerdings erstreckten sich vor der Industrialisierung an dieser Stelle noch die „Kappesfelder“, die Kohläcker der Kölner. Als sich der Feldherr in das Viertel verirrte, war er angeblich so entsetzt von Not und Armut der damals noch homogen rheinischen Bevölkerung, dass er spontan einen größeren Geldbetrag für die Bedürftigen spendete. Mit der Industrialisierung zur Preußenzeit, als Wohnraum entstand, zogen Arbeiter in die Gegend. Aus dieser Zeit sind Backstein- und Gründerzeithäuser erhalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog es wiederum die Ärmsten in die schwer beschädigten Häuser, die nach und nach aufgebaut wurden. Rund um die Weidengasse entwickelte sich seit den 60er Jahren ein Rotlichtmilieu, seit Anfang der 80er veränderte sich durch die Zuwanderung das Flair im Eigelstein abermals. In der Weidengasse existiert heute ein Mix aus orientalischen Imbiss- und Klunkerbuden sowie kölschen Kneipen und Tante-Emma-Läden. Gewerbe aller Art hatten hier schon die alten Römer etabliert. Der Eigelstein, dessen Name auf „Aquila“ zurück geht (nach dem Adler, dem Feldzeichen der Legionäre), war Teil der Heerstraße, die von Süden durch Köln nach Xanten führte. Mit den Legionen kam das Cervisia, das römische Kölsch, womit Aufstieg und Niedergang des Eigelstein-Viertels begann. HENK RAIJER