Killerschach gegen Computerspielzensur: Pirat schlägt Bauer

Aktivisten demonstrieren gegen das Verbot von Computerspielen - mit einer Partie Schach, bei der Menschen die Spielfiguren mimen. Kunstblut inklusive.

Mitglieder und Symphatisanten der Piratenpartei beim Schachspielen in Natura. Bild: dpa

"Schwarzer Springer von c6 nach e5 - schlägt." Ein hagerer junger Mann setzt sich in Bewegung, die schwarze Mülltüte, in die er gehüllt ist, knistert. Kurz vor dem weißen Bauern in einem Maleranzug hält er inne und lacht hämisch. Er reißt sein Schaumstoffschwert hoch und schlägt zu. Kunstblut spritzt, der Bauer geht unter Schreien zu Boden.

32 Spieler und mindestens dreimal so viele Zuschauer haben sich am Samstagnachmittag am Berliner Neptunbrunnen zu einer Runde "Killerschach" zusammengefunden - also einer Partie Schach, bei der Menschen die Spielfiguren mimen und das Schlagen mit literweise Kunstblut einhergeht. Aufgerufen dazu hatte der Berliner Landesverband der Piratenpartei. "Wir möchten mit dieser Schachpartie auf den abstrakten Gewaltinhalt des Schachspielens hinweisen - der ist nämlich nicht ganz ohne", so Andreas Baum, Vorsitzender des Landesverbands.

Laut Definition der Innenministerkonferenz handelt es sich bei dieser Partie öffentlichen Schachs nämlich tatsächlich um ein - im weitesten Sinne - nichtelektronisches "Killerspiel". Beim Treffen der Innenminister der Länder Anfang Juni war unter anderem beschlossen worden, dass ein Verbot von "wirklichkeitsnah dargestellten Tötungshandlungen" und "anderen Grausamkeiten" in Computerspielen auf den Weg gebracht werden müsse. Unter dieses Verbot würden auch viele Ego- und Taktikshooter wie beispielsweise "Counter-Strike" fallen.

Dagegen macht die Gamer-Community jetzt mobil. "Gamen ist Popkultur, vollkommener Mainstream - in ein paar Jahren haben Computerspiele den gleichen künstlerischen Rang wie Bücher oder Filme. Da jetzt mit Zensur und Verboten anzukommen, ist absoluter Blödsinn - und um das zu zeigen, spielen wir hier gewalttätig Schach", so Martin Häcker, Softwareentwickler und passionierter Gamer. Allerdings stört sich nicht nur die politisch nahezu lobbylose Spielerschaft an dem Verbot. "Es ist der Politikstil, der dahintersteckt, gegen den wir etwas haben", so der Berliner Landesvorsitzende der Piraten, Baum.

"Da wird nach schlimmen Ereignissen wie dem Amoklauf von Winnenden an vermeintlichen Symptomen wie Computerspielen herumgedoktert, anstatt sich um die wirklichen Ursachen von Gewalt zu kümmern." Dass politische Entscheidungen in blindem "Hau-ruck-Aktionismus" getroffen würden, stört Baum und die Piraten ebenso wie der "Populismus, der daraus geschlagen wird." Statt des Verbots wünschen sich die Piraten Aufklärung und eine faire Debatte über Computerspiele. "Für mich ist das in erster Linie eine Generationenfrage. Wir, die Jungen, müssen uns jetzt gegen den einen oder anderen beratungs- und informationsresistenten Alten wehren - nicht nur im Bundestag", sagt Häcker.

Da trifft es sich gut, dass bei der Schachpartie letztlich das schwarze Team gewonnen hat, mit Carmelito Bauer als König, dem Bundesvorsitzenden der Jungen Piraten. "Ich wähne mich nach dieser Partie siegreich und erhaben. Ich spüre sie förmlich, die Macht der Jugend", schmunzelt der 15-Jährige. Ein paar Spritzer Kunstblut hat er aber trotzdem abgekriegt.

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