Ostafrika steht vor Hungersnot: "Keine Dürre so schlimm wie diese"

In weiten Teilen Ostafrikas bleibt der Regen aus. Weideland wird zur Wüste, für 20 Millionen Menschen in Kenia, Somalia und Äthiopien bahnt sich eine Hungersnot an.

Sie muss immer weiter laufen bis zum nächsten Bohrloch, in dem es noch Wasser gibt. Bild: dpa

KAJIADO taz | In der staubigen Einöde, in der Miriam Kirange unter einer Akazie Schutz vor der grellen Mittagssonne sucht, strahlen ihre Ohrringe aus Knöpfen und bunten Plastikperlen besonders hell. Die 28-jährige stöhnt und lehnt sich zurück, sie hat schon einen langen Tag hinter sich. Wie jeden Morgen, so ist die Massaifrau auch heute zwei Stunden vor Sonnenaufgang aufgestanden, um Wasser für ihre Familie zu holen. "Sieben Kilometer ist das nächste Bohrloch entfernt, die anderen sind alle trocken", berichtet sie. "Heute hatte ich Glück, ich konnte meine Kanister schon nach einer Stunde auffüllen und wieder umkehren."

Einen 20-Liter-Kanister hat sie auf dem Kopf getragen, sechs weitere an ihren Esel geschnallt. Für ihren Mann und die drei Kinder reicht das Wasser für ein bis zwei Tage, dann muss sie wieder los. Manchmal, sagt Kirange, ist der Andrang so groß, dass sie mehr als einen halben Tag anstehen muss. "Ich habe schon am Bohrloch übernachten müssen, weil die Schlange so lang war."

Wasser ist rar im Massailand rund um Kajiado zwischen Kenias Hauptstadt Nairobi und der tansanischen Grenze. Seit drei Jahren hat es hier kaum geregnet, die letzte Regenzeit ist ganz ausgefallen. "Noch keine Dürre war so schlimm wie diese", sagt Mengeti ole Lomni. "Früher konnten wir mit unseren Herden zu anderen Plätzen ziehen, wo es mehr Wasser und mehr Gras gab, aber diesmal ist es überall trocken, wir können nirgendwo hin."

Für mehr als 20 Millionen Menschen in Kenia, Somalia und Äthiopien, so das staatliche US- Hilfsprogramm USAID, ist die Nahrungsmittelversorgung nicht mehr gesichert. Besonders schlimm trifft es Nomaden wie die Massai, deren Vieh zu verhungern und zu verdursten droht. Verkaufen lohnt sich nicht, weil für die klapperdürren Kühe auf dem Markt gerade mal noch 10 Euro gezahlt werden - normalerweise sind es 400.

"Wir müssen Futter für die Tiere und Essen für die Familie kaufen", erklärt ole Lomni. "Aber woher sollen wir das Geld nehmen, Nahrungsmittel sind so teuer wie noch nie." Mindestens 120 Schillinge (etwas über ein Euro) kostet ein Paket Maismehl derzeit in Kajiado, hier auf dem Land ist das fast ein Tagelohn. Die zwei Kilo reichen für eine Familie wie die von Miriam Kirange gerade einmal eine halbe Woche - vorausgesetzt, es gibt genug Wasser zum Strecken. In ihrer Not fällen die Massai die Akazienwälder, die einst die Ebene bedeckten. Kilometerlange Schneisen haben verbrannt aussehende Erde zurückgelassen.

"Die Folgen der aktuellen Dürre sind schlimmer als alles, was ich in meinen acht Jahren in der Region gesehen habe", sagt auch Iris Krebber von der Deutschen Welthungerhilfe. "Trockenheit kennen wir, aber diesmal kommt eine fatale Kombination aus hohen Nahrungsmittelpreisen und kaum funktionsfähigen staatlichen Strukturen dazu." Zwar hat Kenias Regierung vor einigen Tagen eine 'Großoffensive gegen den Hunger' gestartet.

Unter anderem sollen Armee und Polizei Nahrungsmittelhilfen verteilen. "Aber ich frage mich, was die verteilen wollen", wundert sich Krebber. "Nach meinem Wissen fehlt es nicht an Verteilern, sondern an Hilfsgütern zum Verteilen."

So ist unklar, wieviel Maisreserven Kenia besitzt, nachdem in einem Korruptionsskandal Anfang des Jahres hunderttausende Sack des kenianischen Hauptnahrungsmittels verschwunden sein sollen. Ein staatliches Ernährungsprogramm für Schulen, das im Januar hätte beginnen sollen, ist bis heute nicht angelaufen. Das sehen viele als Zeichen dafür, dass die Lager leer sind. "Auf die Regierung hoffen, bringt nichts", glaubt der gebeugte Massaihirte Nentiti ole Kolila. "Unsere einzige Hoffnung ist, dass es im November regnet."

Kenias Meteorologen sind da skeptisch. Bisher sagen sie Regenfälle nur am Viktoriasee und im Hochland um Nairobi voraus. Ansonsten bleibt es trocken - außer, es gibt wieder ein El Niño-Jahr, wie zuletzt 1997/98. Damals zerstörten sintflutartige Regenfälle ganze Ortschaften, Wasserdämme und hunderte Kilometer Straßen. Ole Kolila, der das miterlebte, hofft fest darauf. "Hauptsache, es regnet, sonst sterben nach dem Vieh auch die Menschen hier."

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