piwik no script img

AktionKreative besetzen leere Räume

Im Gängeviertel feierten Künstler am Wochenende die Besetzung von leerstehenden Häusern. Von der Stadt fordern sie, den Verfall der Gegend zu verhindern.

Kunst gegen Leerstand: Im Gängeviertel protestieren Künstler gegen Verfall und Abriss der Häuser. Bild: dpa

Pfeile auf dem Valentinskamp und der Caffamacherreihe wiesen am Samstag die Richtung zu "Hamburgs erster Freiluft-Galerie" in den Höfen des historischen Gängeviertels. Fast 200 Hamburger Künstler und die Initiative "Gängeviertel" verschafften sich Zugang zu Räumen, die seit Jahren verrammelt sind.

Händeringend suchen sie nach erschwinglichen Ateliers. In den verfallenden Gebäuden ist Platz für ihre Bilder, Skulpturen und Installationen. Mit Musik und Ausstellungen wollen die Künstler die maroden Altbauten beleben. Das Gängeviertel soll so vor dem Verfall gerettet werden. Von dem Hoffest versprechen sich die Initiatoren ein bisschen mehr Aufmerksamkeit von der Stadt. Darko Caramello von der Künstlergruppe "Kupferdiebe", die mit ihrem Atelier einer der letzten Mieter auf dem Gelände sind, spricht stellvertretend für alle Aktionisten: "Wir erwarten, dass die Künstler akzeptiert werden, das man sich kümmert. Und nicht, dass die Stadt sich als Kulturstadt verkauft, aber nichts passiert."

Eine Besetzung im Wortsinne ist die Aktion dennoch nicht. Laut Polizei war die Veranstaltung ein angemeldetes und privat organisiertes Fest auf dem Privatgrund eines Anwohners. Dieser stelle mit Absprache des Vermieters seine Lagerräume als Ausstellungsfläche zur Verfügung.

Bis auf einige wenige Räume stehen die mehrstöckigen Gebäude des Gängeviertels seit Jahren leer. Die Stadt vergab das Grundstück im Höchstpreisverfahren. Der niederländische Investor Hanzevast entwickelte ein 4.500 Quadratmeter großes Bauprojekt und kündigte dessen Vollendung bereits im August 2008 an. Dem Bezirksamt Hamburg-Mitte zufolge wird die Baugenehmigung in den nächsten Wochen erteilt. "Geplant sind etwa 70 Wohnungen, nur wenig Gewerbefläche und Bürogebäude", sagt der Leiter des Bauprojekts, Uwe Drost. Alles sei mit dem Denkmalschutz abgestimmt.

Caramello ist skeptisch, was den Erhalt der historischen Gebäude angeht: "Wir sprechen hier von offiziell 80 Prozent Abriss. Alles abzureißen und die Fassaden stehen zu lassen ist trotz allem ein Abriss." Die Initiative "Gängeviertel" schlägt stattdessen Produktionsflächen für Hamburger Kreative vor. "Wir haben ein komplettes Förder- und Nutzungskonzept ausgearbeitet", sagt Sprecherin Uli Fiddel. In einem offenen Brief fordert die Initiative den Senat auf, "Verantwortung für die kulturelle und soziale Vielfalt der Stadt" zu übernehmen.

Daniela Kain ist seit 14 Jahren Mieterin der Wohnung im Valentinskamp 38 c. "Seitdem kommen und gehen die Investoren", sagt sie. Gegen die Kündigung habe Daniela Widerspruch eingelegt - bisher ohne Reaktion. Die Kunstaktion in den leerstehenden Häusern finde sie gut.

Auch die Künstler selbst hoffen, dass das Gelände dadurch aufgewertet wird. Am Valentinskamp 44 kann man die "Gängeviertel Musterwohnung" und das "Gängeviertel Musteratelier" noch eine Weile besuchen. "Wir bleiben so lange", sagt Caramello, "bis sich jemand von der Stadt herbequemt, der was zu sagen hat."

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • MH
    Max Heidt

    Peter, sicherlich hast du nicht ganz unrecht - so oder so ähnlich können Gentrifizierungsprozesse verlaufen… wir reden hier aber nicht von z.B. Wilhelmsburg, sondern von historischem Leerstand mitten in der Hamburger Innenstadt. Trotzdem zu bedenken wäre, dass es hier nicht ausschliesslich um Kunst und Künstlerbedürfnisse gehen sollte…

     

    KLASSE AKTION!

  • P
    Peter

    Ja genau!

    So fängt jede Gentrifizierung an:

     

    Künstler und "Kreative" entdecken ein abgerocktes Viertel und nutzen es für Ateliers, Ausstellungen usw.

     

    Bald kommt das Medien- und Werbe-Gesindel:

    "Ist ja voll hip hier!"

     

    Dann die Freßtempel für besserverdienende Leckerschmecker, die stylishen Klamottenshops, die edlen Läden für Öko-Feinkost...

     

    Alles, was Yuppies, Dinks, Bobos, Lohas und die betuchten FDP- und GrünwählerInnen mit dem etwas besseren Geschmack so mögen...

     

    Liberté, toujours!

     

    Und dann gehen ruckzuck die Mieten hoch.

     

    Und die Alteingesessenen, das "Volk" -

    die dürfen sich bitte schnell und unauffällig nach Iserbrook und Neu-Allermöhe verziehen.

     

    Klasse Aktion!